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Radioaktiver Schrott im Landschaftsschutzgebiet

Die Fördertürme der Wismut in Königstein fallen. Zurück bleibt verstrahlter Abfall. Wahrscheinlich für immer.

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© Katja Frohberg

Von Ines Mallek-Klein

Alte Autoreifen schwimmen in einer rostbraunen Soße. Wenige Meter weiter liegen graue und blaue Rohre wie Heringe in einer Fischdose aneinandergereiht. Einem ordnungsliebenden Entsorger haben sie wohl ihr Schicksal zu verdanken. Die Bilder, die der Sächsischen Zeitung zugespielt wurden, zeigen keine wilde Deponie im Wald, sondern das Gelände der bundeseigenen Wismut GmbH bei Leupoldishain. Die Festung Königstein liegt nur wenige Steinwürfe von der Halde Schüsselgrund entfernt. Hier, mitten im Landschaftsschutzgebiet Sächsische Schweiz, wächst eine Endlagerstätte für radioaktiven Müll. Monat für Monat, Jahr für Jahr.

Bleibt in Königstein: Schrott und Schutt in brauner Brühe.
Bleibt in Königstein: Schrott und Schutt in brauner Brühe. © privat
Die dünnen Kabel sind radioaktiv belastet. Ihre Reinigung wäre zu teuer.
Die dünnen Kabel sind radioaktiv belastet. Ihre Reinigung wäre zu teuer. © privat

Frank Wolf, Sprecher der Wismut GmbH, mag den Begriff „Endlager“ gar nicht. Er klingt zu sehr nach Atomkraftwerk, nach Strahlenbelastung und nach Bürgerprotesten. Zumindest letztere gab es in dem Gewerbegebiet bei Königstein bisher nicht. Die Wismut tut hier nichts Verbotenes. Als in den 1990er-Jahren die Entscheidung fiel, die Urangrube Königstein zu sanieren, war schnell klar, dass Abfälle anfallen würden, die so stark verstrahlt sind, dass es für sie keine Verwendung mehr gibt. Sie müssen für die Ewigkeit gelagert werden – und das passiert auf der Halde im Schüsselgrund. Sie wurde in den 1960er-Jahren angelegt, als man erste bergbauliche Erkundungen unternahm.

Seitdem wurden hier rund 30 000 Tonnen Uran gefördert. Zurück bleiben unter Tage eine nun verschlossene Grube und Stollen, die langsam geflutet werden. Das gesamte technische Innenleben des Berges, Trafos, Kabel, Pumpen, wurde geborgen. Das meiste ist so stark mit Uran und Schwermetallen belastet, dass eine Reinigung zu teuer wäre. Bei dünnen Kabeln oder großen Reifen ist sie auch gar nicht möglich. Dort sitzen die Verunreinigungen nicht nur auf, sondern im Material, erklärt der Wismut-Sprecher.

Jedes Teil, das das Firmengelände verlässt, muss von einem Sachverständigen freigegeben werden. Freimessen heißt das im Expertendeutsch. Manche Bauteile, wie extrem dünne Kabel, eignen sich aber auch dafür nicht. Es gäbe die Alternative, sie zu einer anderen Halde zu bringen, wo bereits radioaktives Material liegt. Doch das ist nach Einschätzung der Fachleute zu teuer und zu risikoreich. Was, wenn ein Lkw unterwegs verunglückt?, fragt Frank Wolf. Also bleibt der Müll in Königstein, mit Genehmigung der Ämter. Darüber, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht, wachen das Oberbergamt Freiberg sowie das Umweltministerium als oberste Behörde für den Strahlenschutz im Freistaat. Was in das als „Trockenbeet“ bezeichnete Areal eingelagert wird, muss dokumentiert werden. Ist es voll, wird Flüssigschlamm eingespült. Er soll Hohlräume füllen und so verhindern, dass Gestein nachrutscht, wenn es später darübergeschüttet wird.

„Unsere Ziel ist eine Wald- und Wiesenfläche, die sich die Natur zurückerobern kann“, sagt Frank Wolf. Spaziergänge über das jetzt noch eingezäunte Areal sollen irgendwann möglich sein. Hierher aber einen Kindergarten zu bauen – und sei es in einhundert Jahren – wäre dumm, sagt Frank Wolf. Deshalb arbeitet die Wismut an einem Dokumentationsarchiv, das alle Daten für kommende Generationen genau auflistet. Die Halde Schüsselgrund wird ein Problem bleiben. Das mit Schwermetallen und Uran belastete Wasser aus der Grube muss noch für Jahrzehnte aufgefangen und gereinigt werden. Zurück bleibt ein Schlamm, der bisher auf der Halde landet. Doch der Platz dort ist endlich.