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Rad der Hammermühle steht

Acht Jahre lang hat Familie Löcken-Hierl Bautzens einzige funktionierende Mühle restauriert. 2011 wäre alles fertig gewesen – dann kam die Flut.

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Von Miriam Schönbach

Die DVD von Robbie Williams lehnt am Speicherfenster, als wäre sie nur kurz abgelegt worden. Auch schmutzige Tücher und eine Fahrradkette haben in den Sprossen ihre letzte Ruhe gefunden. Es ist ein trauriges Stillleben am Rande Chaos. Über Stunden hat die Spree vor einer Woche in der Bautzener Hammermühle gewütet. Mit dem Wasser wälzten sich Massen von Schlamm, Schutt und Unrat durch das historische Gebäude.

Traurig blickt Maria Löcken-Hierl auf das Durcheinander. „2011 wären wir nach acht Jahren Arbeit mit der Restaurierung fertig gewesen“, sagt die Tochter des letzten Hammermüllers. Im Hof tragen Schüler des Melanchthon-Gymnasium Müll und Schutt zusammen. Harmlos plätschert das Wasser im Mühlgraben. Kein Vergleich mit der Situation vor einer Woche, als die Spreefluten mit ungeahnter Macht gegen das Gebäude krachten.

Doppelt getroffen

Als das Wasser steigt, versucht die Familie in aller Eile die Mühle zu sichern. Vergeblich: Gegen 19Uhr steht das Wasser bis zu den Fensterbrettern im Erdgeschoss. Doch nicht nur hier ist die Lage schwierig: Die Pension der Familie, die „Alte Gerberei“, liegt 500 Meter flussaufwärts. Auch dort läuft am Abend der Keller voll. Gegen 23 Uhr steigt das Wasser bis in den Gastraum.

Während Pensionsgäste und Nachbarn, Tische, Stühle, Bänke in die oberen Stockwerke tragen, spitzt sich flussabwärts die Situation zu. Die Hammermühle muss evakuiert werden. Unglaubliche Wassermassen drücken gegen die Brücke, die unmittelbar vor dem Haus liegt. Der Übergang vibriert. In der Mühle fallen Bilder von den Wänden. Dann geht alles plötzlich ganz schnell. Nicht nur von der Spreeseite dringt Wasser ein, auch der benachbarte Seidauhof ist vollgelaufen. Immer höher staut sich die Spree vor dem geschlossenen massiven Hoftor, bis die Wassermassen die Barriere mit aller Gewalt aufdrücken und direkt in den gegenüberliegenden Mühlhof schießen. Mit Wucht kracht das Wasser der Länge nach auf den 26 Meter langen Speicher, flutet Werkstätten, den Keller, das Archiv. Binnen weniger Augenblicke steht die Elektrik der Mühlturbine unter Wasser. Unrettbar verloren.

Riesenkrater im Garten

Nach der Angst in der Nacht bringt der Morgen die Gewissheit. „Alle Keller standen voller Wasser. Im Erdgeschoss blieb die Spree bei etwa einem Meter stehen. Ein Teil unserer historischen Akten sind klatschnass und verschlammt. Wir sind hochwassererprobt, aber so etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagt Maria Löcken-Hierl. Die Hammermühle befindet sich seit 1888 in Familienbesitz.

Im Garten klaffen Riesenkrater. Zäune, Ufermauer, Garten - und Gewächshaus sind zerstört. Fundamente liegen frei. Im Mühlhaus hat der reißende Strom dicke Schlammschichten hinterlassen.

Eine Woche später ist an Normalität zwar nicht zu denken, doch die Aufräumarbeiten gehen voran. Die Keller sind leer gepumpt, der Schlamm von Fußböden gekratzt. Dank der Schüler und vieler Helfer verschwinden die Wunden der Hochwassernacht Stück für Stück. Sogar ein paar Blumen sind schon wieder eingepflanzt.

Das Hochwasser der Spree hat schwere Schäden an der Mühle hinterlassen. Der Schaden am Baudenkmal lässt sich noch nicht beziffern. Ein Bausachverständiger wird in den kommenden Tagen die zerstörte Mühle begutachten. Denn eines ist sicher: Die Mühle soll wieder laufen – und das Hochwasser irgendwann nur noch ein Kapitel in der langen Familienchronik sein.