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Pyramiden bauen für eine Medaille

Vier Cheerleader aus Riesa starten bei der WM in Florida und finden, dass dies Sport ist.

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© Ronald Bonß

Von Daniel Klein

Sonnenschein, weißer Strand, 28 Grad – es gibt Orte, wo es gerade ungemütlicher ist als in Florida. Die Fotos und Videos, die vier junge Riesaerinnen seit einer Woche verschicken, lassen jedenfalls Neidgefühle aufkommen. Doch um Klima und Natur zu genießen, hat sich das Quartett nicht in einem Ferienhauspark einquartiert. Sie erfüllen sich gerade einen Traum: den Start bei der Cheerleading-Weltmeisterschaft in Orlando. Sich mit den Weltbesten messen und das in der Heimat von Pompons und Chants – mehr geht nicht.

Sonnenschutz ist wichtig an den Stränden in Florida. Regelmäßig zu sehen ist das Quartett auch im Fernsehen – bei den Schlagershows von Florian Silbereisen.
Sonnenschutz ist wichtig an den Stränden in Florida. Regelmäßig zu sehen ist das Quartett auch im Fernsehen – bei den Schlagershows von Florian Silbereisen. © privat

Rückblende. Drei Wochen vor den Titelkämpfen in den USA üben Franziska, Anne-Marie, Sophia und Victoria in einer Schulturnhalle in Riesa. Draußen regnet es, drinnen ist es kalt. Man braucht ein bisschen Fantasie, um in die Gute-Laune-Stimmung zu kommen, die Cheerleader mit ihren Sprechgesängen und ihrer Akrobatik verbreiten wollen. Auf der anderen Seite hilft es zu begreifen, dass die Hebungen, Sprünge und menschlichen Pyramiden vor allem eines sind: harte Arbeit.

Die vier Frauen vom Riesaer Cheerleaderverein üben eine Figur, wieder und immer wieder. Die 47 Kilo leichte Victoria wird dabei in die Höhe gestemmt, auf Händen getragen und schließlich fallen gelassen – wenn möglich elegant und sanft, sonst drohen Punktabzüge. „Wir vier sind aber nur ein Teil einer 24-köpfigen Gruppe, die dann auch bei der WM antritt“, erklärt die 21-jährige Sophia Herkt.

Casting per Video

Voriges Jahr im August lud der 20 000 Mitglieder zählende Cheerleading- und Cheerdance-Verband Deutschland zu einer Art Casting. Per Video konnten sich die Frauen bewerben. Die Besten wurden im Oktober zu einem Auswahltraining eingeladen, das Quartett aus Riesa war dabei. Seit gut einem Jahr bereiten sie sich speziell darauf vor, trainieren viermal pro Woche. „Die WM ist das große Ziel für jeden Cheerleader“, sagt die angehende Grundschullehrerin Sophia. Als die Details der WM-Flugreise zur Sprache kommen, wischt sich Franziska einige Tränen weg. Allein die Vorfreude ist schon überwältigend.

Neben dem Frauen-Team mit dem Riesa-Quartett hat der Verband noch eine Juniorinnen-Gruppe, für die sich auch vier Mädels von den Pirnaer Arrows qualifizieren konnten, sowie eine gemischte Gruppe, bei der Männer die sprichwörtliche Hauptlast tragen, zusammengestellt – insgesamt knapp 100 Cheerleader. In fünf Camps studierte das Team Germany die Choreografien ein. Und es gab Hausaufgaben mit fürs Heimtraining.

Aber ist Cheerleading überhaupt eine Sportart? „Definitiv“, findet Anne-Marie Miethe, die an der TU Dresden Verkehrswirtschaft studiert. „Wir haben angefangen, als wir acht waren, müssen Salti beherrschen und Flickflacks. Und wir opfern fast unsere gesamte Freizeit, um so perfekt wie möglich zu sein“, zählt die 19-Jährige auf. Einiges erinnert stark an Bodenturnen und Rhythmische Sportgymnastik. „Viele denken, Cheerleader sind lediglich Hupfdohlen, die wild mit ihren Puscheln wedeln. Aber das ist richtiger Sport“, erklärt Bundestrainerin Anne Tiepner, die aus dem Vogtland stammt.

Die Zeiten, in denen die jungen Frauen lediglich als Anfeuerungsanhängsel von Männerteams, vor allem im American Football, fungieren, sind lange vorbei. Viele trainieren speziell für Meisterschaften, Riesa war oft Gastgeber für nationale oder internationale Titelkämpfe. Eine WM in den USA ist aber noch mal etwas ganz anderes, allerdings auch nicht billig. Wie hoch der Eigenanteil ist, wollen die vier nicht verraten. Zuzahlen müssen sie auch nichts. „Wir haben Sponsoren gesucht und gefunden“, erklärt die 18-jährige Victoria Natzchka, die gerade ihr Abitur macht.

Am Donnerstag treten sie in Orlando in der Vorrunde an. Im ersten Teil der Übung wird gesungen, kommen schwarz-rot-goldene Pompons und Schilder zum Einsatz, im längeren zweiten Teil steht die von treibenden Beats begleitete Akrobatik im Vordergrund. Nach dreieinhalb Minuten ist alles vorbei – falls es nicht so gut läuft auch endgültig. Läuft es besser, zieht Team Germany am Tag darauf ins Finale der fünf besten Teams ein. „Die Endrunde ist unser Ziel“, sagt die Bundestrainerin. „Mal sehen, was dann noch geht.“

Vielleicht schicken die Riesaerinnen sogar noch Medaillenfotos von Floridas Sandstrand. Aber auch unabhängig vom Abschneiden ist die WM für sie der bisherige Höhepunkt ihrer Cheerleader-Karriere.