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Putzbunte Hausmeister

Zwei Unternehmer hübschen in der Neustadt ein Bürogebäude auf: Warhol, Dürer, Hokusai und kein Canaletto.

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© Stefan Becker

Von Stefan Becker

Dresden bietet viele schöne Straßen, aber eben auch so trostlose Asphaltbahnen wie zum Beispiel den Dammweg. Wie der Name schon erahnen lässt, verläuft die Strecke entlang eines Bahndamms, sie führt vom Hechtviertel bis zum Bahnhof Neustadt. Autos nutzen die Einbahnstraße als Abkürzung, Fahrräder dürfen in beide Richtungen rollen, Fußgänger meiden eher die dunkle Enge.

Bisher boten nur zwei Fassaden kleine farbige Lichtblicke inmitten der grauen Tristesse, wo am Wegesrand Gestrüpp vor verputzten Wänden wuchert, auf denen einzig ein paar verblasste Graffiti von Leben zeugen. Und jetzt das: Seit zwei Wochen erstrahlt die Hausnummer 6 in leuchtend frischen Farben, und die Augen wissen gar nicht, wohin sie zuerst schauen sollen. Wahrscheinlich auf das Logo samt Schriftzug und dort steht: „Bürosphäre“.

Die Urheber dieses städtemalerischen Unikats heißen Thomas Schulz und Tom Hoffmann. Lapidar ausgedrückt macht das Duo in regenerativen Energien und agiert mit dem Haus an den Hacken jetzt auch als Vermieter für andere Kreative. „Unsere Mieter sind ziemlich international“, sagt Hoffmann und zählt die Länder auf: China, Polen, Serbien, Tschechien, Holland und dazu ein Dresdner Verein, der sich um Flüchtlinge kümmert. Ungefähr die Hälfte des Hauses sei vermietet, sagt das Duo, und das Haus ist ganz schön groß. Fuhr man in der Vergangenheit achtlos an dem mausgrauen Block vorbei, treten Kunstinteressierte und Freunde farbiger Fassaden jetzt voll in die Bremse.

Wegweisende Freiluft-Galerie

Denn die Fassade kann sich nicht nur sehen lassen, sie möchte betrachtet werden, wie die Werke in einem Museum oder einer Galerie. Die Hauswand verbindet beides auf originelle Art, weil die Künstler auf dem rauen Untergrund eine Collage liefern, wie es sie sonst nirgends gibt. Während Dürers apokalyptische Reiter unterm Giebel Kopf stehen, drängeln sich am Boden die Campbells-Dosen von Andy Warhol. Um die Hausecke kräuselt sich die historische Welle von Katsushika Hokusai und darüber thront Marilyn Monroe.

„Die Freimaler haben sich viel Zeit genommen für die gesamte Arbeit“, sagt Thomas Schulze, und beide Besitzer grübeln selbst noch über die Bedeutung des ein oder anderen Motivs. Und auch wer das Abstrakte favorisiert, findet an den Wänden oder Jalousien seinen Gefallen. Dort kringelt es sich, eckt an, spitzt sich zu und wer noch Muße für einen Text hat, findet ein verträumtes Zitat von Sven Fäth.

Die Idee zum schöneren Arbeiten kam den beiden Jungunternehmern beim Anblick vom benachbarten „Rosis Amüsierlokal“. Denn dort hatten die Freimaler mit ihren Farbtöpfen und Sprühdosen bereits ein Statement gesetzt: knallbunte Seemannromantik mit Ankern und Herzen, Tauen und Matrosen, wie St. Pauli eben in den Köpfen funktioniert. Doch so anarchisch, wie es draußen bei der „Bürosphäre“ zugeht, so gesittet und aufgeräumt zeigt sich der einstöckige Komplex von innen. Dort besitzt jedes Büro einen Namen mit Lokalkolorit: Laubegast, Weißer Hirsch, Hellerau und so weiter. „Große Hotels schmücken ihre Zimmer ja gerne mal mit den Namen großer Städte, da wollten wir ein wenig mithalten“, sagt Schulz und grinst.

Zu den vielen Gemeinsamkeiten, die das Duo teilt, gehört auch das Geburtsdatum. Am gleichen Tag vor 34 Jahren kamen die beiden in Dresden auf die Welt, mauserten sich von Klassenkameraden über Studienkollegen bis hin zu Geschäftspartnern. Ihr Faible für regenerative Energien verfolgen die beiden mit Akribie, projektieren Fotovoltaikanlagen kombiniert mit Blockheizkraftwerken.

Auch im Keller des eigenen Hinterhauses säuselt ein VW-Motor in mannshoher Metallbox vor sich hin und aufs flache Dach kommen demnächst die Solarelemente für die Stromgewinnung. Die Lage hinterm Bahndamm sei zwar suboptimal, weil ziemlich schattig, sagt Schulz, doch allein aus Prestigegründen gönnen sie sich die vertraute Technik, die viele Schulen zu günstigen Konditionen versorgt, im nahen Plauen und fernen Mannheim, aber kaum in der Hauptstadt vom selbst ernannten Silicon Saxony.

Die beiden studierten Ökonomen haben sich längst arrangiert mit dem hiesigen Desinteresse, suchen und finden ihre Kunden in einem Umkreis von automobilen 90 Minuten. Damit der Techniker zeitig eingreifen kann, wenn mal eine Anlage zickt. Bei rund 60 Systemen, die alle aus der Bürosphäre heraus gesteuert werden, gehört auch das zum Alltag.

Genauso wie die graue Wand vor der Haustür. Darum lautet die Devise bereits „Adieu Tristesse“, seit geraumer Zeit denkt das Duo schon nach über eine farbenfrohe Alternative. Wie genau die aussehen könnte, darüber wollen sie erst sprechen, wenn das Konzept steht, samt Finanzplan und Partnern: so viel Buddies wie möglich, so viel Business wie nötig.