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Puppenfabrik erwacht

Zwei Dresdner haben viel vor mit dem Industriedenkmal. Historische Bausubstanz voll erhalten werden. Das macht es zum Teil kompliziert.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Nossen. Wenn bis Ende des Jahres die Baugenehmigung vorliegt, Abbrucharbeiten erledigt und deren Folgen beseitigt sind, wäre er zufrieden. Das sagt Investor und Energieberater Georg Hartmann aus Dresden bei einem Vor-Termin auf dem fast 14 000 Quadratmeter großen Gelände der alten Minerva-Puppenfabrik an der August-Bebel-Straße. Zusammen mit Mitarbeitern des Kreisdenkmalamtes schaut sich der Eigentümer an einem sonnigen Vormittag die Bausubstanz der einstigen Fabrik an. Im März 2017 hatte er das Gelände dem Vorbesitzer abgekauft, will es nun mit seinem Cousin, dem Architekten Gunther Hildebrandt, aus seinem Dornröschenschlaf wecken.

Der letzte Bewohner auf dem Areal an der August-Bebel-Straße heißt Klaus Weber. Ohne den 83-Jährigen und seinen Schlüssel kommen weder Planer noch Statiker durch das Eingangstor.
Der letzte Bewohner auf dem Areal an der August-Bebel-Straße heißt Klaus Weber. Ohne den 83-Jährigen und seinen Schlüssel kommen weder Planer noch Statiker durch das Eingangstor. © Claudia Hübschmann
Die Backsteinfassade der alten Produktionshalle soll nach der Sanierung ihren Charakter behalten. Dahinter werden bis zu 30 Loftwohnungen entstehen.
Die Backsteinfassade der alten Produktionshalle soll nach der Sanierung ihren Charakter behalten. Dahinter werden bis zu 30 Loftwohnungen entstehen. © Claudia Hübschmann

Auf dem U-förmigen Areal soll mittig eine Seniorenresidenz entstehen, wofür ein Backsteinbau saniert wird. Drumherum sind Neubauten mit Eigentums- und Mietwohnungen geplant. Insgesamt wollen die Cousins, die unter anderem in Dresden gerade einen Backsteinbau auf dem Lahmann-Areal am Weißen Hirsch sanieren, in Nossen bis zu 30 Millionen Euro investieren. In einem kleineren, gut erhaltenen Gebäude, kann sich Georg Hartmann außerdem Gewerbeeinheiten sowie Räume für Ärzte vorstellen. „Eine Mischform von Miet- und Eigentumswohnungen, betreutem Wohnen und Ärztehaus wäre eine Möglichkeit“, sagt der 49-Jährige. Vor dem Investment in Nossen habe man sich den Bedarf an Seniorenwohnungen in der 11 000-Einwohner-Stadt berechnen lassen. Dabei kam heraus, dass in den nächsten Jahren rund 300 Leute allein in der Muldestadt zusätzliche barrierefreie und altersgerechte Wohnungen benötigen.

Der Standort sei deshalb ideal und die Stadtverwaltung froh über das Nutzungskonzept. Ab 12. Februar liegt der Bebauungsplan im Rathaus aus. Froh, dass sich auf dem Areal endlich etwas tut, auf dem noch bis 1972 Puppen und anderes Spielzeug produziert wurden, ist auch Klaus Weber. Der 83-Jährige wohnt seit über 50 Jahren in einem Haus direkt neben einem der alten Produktionsgebäude. Heute ist er derjenige, der den Schlüssel zum Eingangstor auf das riesige Gelände hat. Denkmalpfleger, Statiker und Architekten lässt er gerne auf das Grundstück.

„Ich habe früher im Kesselhaus der Fabrik gearbeitet, lange darauf gewartet, dass sich endlich etwas tut“, sagt der Ruheständler. Mit den beiden Cousins spricht er schon jetzt über die Zeit, wenn die Vollsanierung der alten Fabrik beginnt. Dass er dann sein Haus womöglich verlassen muss, weiß Weber. Aber er vertraut Hartmann und Hildebrandt, die zugesichert haben, „eine gemeinsame Lösung“ zu finden. Bis dahin werden noch einige Monate vergehen. „Wir müssen große Teile der Gebäude entkernen, entkeimen, dann Putz abtragen. Dann stehen Abbrucharbeiten an, bevor wir an die Erneuerung von Fassaden, Fenstern und Dächern gehen können“, sagt Hartmann. Die eigentlichen Bauarbeiten könnten im kommenden Jahr beginnen. Dabei soll so viel Bausubstanz wie möglich erhalten werden.

Durch den Denkmalstatus geht das auch gar nicht anders. „Das ist auf der einen Seite sehr schön, aber natürlich auch schwieriger als bei einem Neubau“, sagt der Kaufmann. Beispielsweise müsse man für den in den 1980er-Jahren stillgelegten Industrieschornstein mitten auf dem Gelände eine Lösung finden. Der steht unter Denkmalschutz. Für die Pläne der Investoren stellt er auf die Dauer ein Sicherheitsrisiko dar. Nun wird geprüft, ob eventuell ein Teilabriss in Abstimmung mit den Denkmalschützern eine Option sein könnte.

Die Höhe des neuen Wohnensembles soll sich an der Umgebung orientieren. Drei-, maximal vier Geschosse sind vorgesehen. Wie hoch die Kauf- oder Mietkosten für die zukünftigen Wohnungen in etwa sein werden, könne jetzt noch nicht gesagt werden. Insgesamt sollen 30 Lofts im Bestandsgebäude, 70 weitere Wohnungen in den drei bis vier neuen Reihenhäusern angeboten werden. Als Eigentümer wird die Objektgesellschaft Nossen-AB 11 GmbH auftreten, die die beiden Cousins für das Bauprojekt gegründet haben.

Ähnlich sind sie bei ihrem Dresdner Projekt verfahren – hier heißt ihre Gesellschaft Palais Weißer Hirsch GmbH.