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Pulverfass Marienplatz

Ordnungsamt und Polizei setzen auf verstärkte Streifen in Görlitz. Die AfD fordert Videoüberwachung.

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© Danilo Dittrich

Von Matthias Klaus

Görlitz. Die Besucher am Abend kann Philipp Scholz an einer Hand abzählen. „Ich hätte mir die Terrasse auf dem Marienplatz echt sparen können“, sagt der Pächter des Restaurants „Am Goldenen Strauss“. Aber nun hat er eh schon fürs ganze Jahr bezahlt. Deshalb bleibt der Freisitz auch offen. „Ich nehm die drei Euro mit, die die Gäste dalassen“, sagt Philipp Scholz sarkastisch. Seit März vergangenen Jahres betreibt er gemeinsam mit seiner Frau das Restaurant. Es läuft, nur der Freisitz eben, auf dem Marienplatz, der bringt wenig ein.

Der Platz zwischen Kaufhaus und Dickem Turm – er ist in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder in den Schlagzeilen. Pöbeleien, Schlägereien, Diebstahl, die Palette an Straftaten ist groß. „Das Phänomen begleitet uns seit längerer Zeit“, sagt Thomas Knaup, Sprecher der Polizeidirektion Görlitz. Schon in den vergangenen Jahren sei es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen jungen Leuten, Männern und Frauen, aus Polen und Deutschland gekommen. „Seit einem Jahr spielen nun auch noch die Asylsuchenden eine Rolle. Es entsteht eine Gemengelage“, sagt Thomas Knaup. Eine eindeutige Ursache, warum es immer wieder zu Reibereien auf den Plätzen in Görlitz kommt, sei nicht auszumachen. Am vergangenen Freitag gab es nun einen größeren Polizeieinsatz gemeinsam mit vier Mitarbeitern des Ordnungsamtes der Stadt, nicht nur auf dem Marienplatz, sondern auf mehreren Plätzen in der Görlitzer Innenstadt. Seit Jahresbeginn wurden der Polizei über 180 Straftaten bekannt, die sich vor allem im Bereich Demianiplatz, Marien- und Wilhelmsplatz sowie generell im Umfeld des City-Centers ereigneten. In der Mehrzahl habe es sich um Diebstähle und Körperverletzungen gehandelt. In den vergangenen Wochen, gerade mit Beginn des schönen Wetters, haben sich laut Polizei Anwohner, Gewerbetreibende und Touristen über die Zustände beschwert. Zu den Tätern, teils alkoholisiert, die Passanten anpöbeln, sich aggressiv zeigen, sollen laut Polizeidirektion sowohl Deutsche, Polen als auch Angehörige anderer Nationalitäten gehören.

Freitag wurden insgesamt 46 Personen kontrolliert, die Identitäten festgestellt. Zudem wurde geprüft, ob Fahrräder als gestohlen gemeldet wurden. Ein 24-jähriger Syrer hatte ein Tütchen mit – vermutlich – Drogenresten bei sich. Die Stadt beobachte die Entwicklung auf dem Marienplatz mit Sorge, sagt Bürgermeister Michael Wieler. Demnach habe es allein 2015 hier 64 registrierte Straftaten gegeben. Dies bedeute eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent. Sowohl Stadt als auch Polizei wollen nun verstärkt Präsenz zeigen. Die Stadt setzt auf die Zivilcourage der Görlitzer. „Nur wenn sich die Görlitzer den Platz nicht nehmen lassen, haben jene keine Chance, die diesen öffentlichen Raum missbrauchen wollen“, heißt es aus dem Rathaus. Die Polizei setzt auf Präsenz. „Wir wollen deutlich machen: Wir sehen euch, wir haben ein Auge auf euch“, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup.

Ein Auge auf den Marienplatz werfen, das ist auch ein Anliegen des Görlitzer AfD-Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel. „Das Alkoholverbot ist zwar ein erster, richtiger Schritt, bringt aber relativ wenig, da sich gerade viele Störenfriede nicht daran halten“, teilt er mit. Er fordere daher eine Videoüberwachung des Platzes – und der Grenzübergänge. Die Forderung ist nicht neu, seit einiger Zeit gibt es bereits Kameratests im Görlitzer Raum. Und im künftigen sächsischen Haushalt sollen auch nötige Mittel für die neue Technik eingestellt werden, erklärte CDU-Landtagsabgeordneter Octavian Ursu.

Der Marienplatz ist ein Pulverfass, sagt Thomas Knaup. „Der kleinste Funke genügt, um es hochgehen zu lassen“, so der Polizeisprecher. Während sich Philipp Scholz vom Restaurant „Zum Goldenen Strauss“ auf der einen Seite des Marienplatzes über leere Stühle auf der Terrasse ärgert, sieht man die Probleme schräg gegenüber im Senckenbergmuseum eher gelassen. Der Museumsbetrieb leide bisher nicht unter den Vorkommnissen, sagt Museumssprecher Christian Düker. Das Geschehen bleibe vor der Tür. Immer wieder kommen gerade Menschen mit Migrationshintergrund ins Museum. „Sie sind gern gesehene und sehr interessierte Gäste“, so Christian Düker. Er sieht, ähnlich wie die Polizei, in den Ereignissen der vergangenen Wochen kein völlig neues Phänomen. Christian Dücker: „Der Marienplatz ist seit Jahren ein Ort, auf dem es manchmal ,hoch hergeht’.“