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Public Backing

Einmal im Monat lädt die Künstlergilde Hansa 3 zum Backen im Steinofen. Diesmal gibt es dazu auch eine Party.

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Dresden. Mary und ihre beiden Mitstreiter Philippe Ivoire und Helmut Otto Rabisch brennen für den Steinofen im Hof. Schließlich haben sie ihn Ziegel für Ziegel selbst aufgebaut. An die 1 200 historischen Steine sammelte die Künstlercombo für das Projekt auf dem Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs und mauerte fünf Monate lang munter drauf los. Den Grundstein legten sie im vergangenen Mai – inklusive Zeitkapsel, wie der Baumeister erzählt, mit einem Lächeln im Gesicht und einer Selbstgedrehten im Mundwinkel.

Der Steinofen von der Hansa 3

Die drei Künstler von der Backstelle: Baumeister Philippe Ivoire, Textildesignerin Mary Colorsphere, Maler Helmut Otto Rabisch und der gemeinsame Steinofen.
Die drei Künstler von der Backstelle: Baumeister Philippe Ivoire, Textildesignerin Mary Colorsphere, Maler Helmut Otto Rabisch und der gemeinsame Steinofen.
Unterm Ofen bunkert das gespendete Holz, baumastigecht oder tischlereigerecht geschnitten.
Unterm Ofen bunkert das gespendete Holz, baumastigecht oder tischlereigerecht geschnitten.
Erst hacken, dann backen: Philippe Ivoire schwingt das Beil.
Erst hacken, dann backen: Philippe Ivoire schwingt das Beil.
1200 alte Ziegelsteine vom Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs bilden den Korpus des Ofens. Einige wenige tragen noch die Prägung aus der Gründerzeit.
1200 alte Ziegelsteine vom Gelände des Alten Leipziger Bahnhofs bilden den Korpus des Ofens. Einige wenige tragen noch die Prägung aus der Gründerzeit.
Im Grill flackern die Flammen fürs Anheizen der großen Holzscheite.
Im Grill flackern die Flammen fürs Anheizen der großen Holzscheite.
Wie es sich für einen Ofenbauer aus Meck-Pom gehört, mauerte Baumeister Philippe Ivoire noch die obligatorische Münze mit ein. Vor jedem Backgang streift der Daumen über den Glücksbringer.
Wie es sich für einen Ofenbauer aus Meck-Pom gehört, mauerte Baumeister Philippe Ivoire noch die obligatorische Münze mit ein. Vor jedem Backgang streift der Daumen über den Glücksbringer.
Philippe Ivoire füttert den Ofen mit brennenden Holzscheiten.
Philippe Ivoire füttert den Ofen mit brennenden Holzscheiten.
Vorm Backen kommt das Schnippeln.
Vorm Backen kommt das Schnippeln.
Die Holzscheite aus Buche und Eiche verbrennen im Ofen zu Holzkohle.
Die Holzscheite aus Buche und Eiche verbrennen im Ofen zu Holzkohle.
In einer Schale bringt Mary die späteren Pornobrötchen in Form.
In einer Schale bringt Mary die späteren Pornobrötchen in Form.
Ralf rollt mit dem Nudelholz den Pizzateig.
Ralf rollt mit dem Nudelholz den Pizzateig.
Das Einheizen des Steinofens dauert rund vier Stunden.
Das Einheizen des Steinofens dauert rund vier Stunden.
Noch eine Prise Salz, dann verschwindet die Pizza  für Minuten im Ofen.
Noch eine Prise Salz, dann verschwindet die Pizza für Minuten im Ofen.
Philippe Ivoire platziert eine Ladung der legendären Brötchen neben einer Pizza.
Philippe Ivoire platziert eine Ladung der legendären Brötchen neben einer Pizza.
Die Pornobrötchen fertig zum Verzehr. Im Hintergrund glimmt die Kohle.
Die Pornobrötchen fertig zum Verzehr. Im Hintergrund glimmt die Kohle.
Konzentration trifft auf kulinarische Vorfreude.
Konzentration trifft auf kulinarische Vorfreude.
Die Hungrigen warten schon auf die knusprige Pizza.
Die Hungrigen warten schon auf die knusprige Pizza.
Das angebissene Brötchen und seine weniger vegetarischen Buletten.
Das angebissene Brötchen und seine weniger vegetarischen Buletten.
Im Laufe des Backtages zerfällt die Holzkohle in immer kleine Partikel
Im Laufe des Backtages zerfällt die Holzkohle in immer kleine Partikel
Public Backing am 07. Mai ab 16 Uhr in der Künstlergilde Hansa 3, auf der Hansastraße 3 in Dresden.
Public Backing am 07. Mai ab 16 Uhr in der Künstlergilde Hansa 3, auf der Hansastraße 3 in Dresden.

Wer nun annimmt, der Fotokünstler befinde sich auf einem baumarktaffinen Selbermachertrip – irrt gewaltig. Denn der junge Mann aus Meck-Pom weiß als diplomierter Bauingenieur um alle Tricks und Kniffe, die so eine ambitionierte Arbeit verlangt. Schließlich sei ein Steinofen auch eine kleine Diva, sagt Ivoire und heizt ein: Buche, Eiche, nur vom Feinsten und Härtesten, damit die zu Holzkohle zerfallenen Scheite möglichst lange glühen und dem Gebäck das typische Aroma verleihen.

Die Idee mit dem Steinofen kam dem Trio beim Einzug ins rudimentäre Künstlerquartier Hansa 3. Das Haus hinter den Viaduktbögen steht unter Denkmalschutz und zählt zum großen Globus-Komplex. Über zehn Künstler haben ihre Ateliers in dem nur sporadisch elektrifizierten Haus. Die Kreativen schleppen ihr Wasser selbst, freuen sich über jeden wärmenden Sonnenstrahl und laden einmal im Monat ein zum öffentlichen Backen.

Pornobrötchen für alle Sinne

Damit beleben die drei eine Tradition aus lange vergangenen Tagen, als noch jedes Dorf an zentraler Stelle einen Ofen besaß und die Menschen gemeinsam das Brotbacken zelebrierten. Denn so ein Steinofen hat es echt in sich: Dicke Schamottsteine, die die Hitze über Stunden speichern und gleichmäßig abgeben; eine Feuerbüchse, in der hinten die glühende Kohle glimmt und vorn die Pizzen oder Flammkuchen oder Pornobrötchen in Minuten gedeihen. Was bitte? Textildesignerin und Schneiderin Mary grinst und erzählt kurz die Geschichte des zuteigtiefst jugendfreien Backwerks: Als sie erstmals ihre mit Salami und Käse gefüllten Dinkelbrötchen aus der Gluthöhle holte, schaute das zum Verzehr bereite Publikum skeptisch drein. Offenbar vermochte sich niemand unter der Kreation geschmacklich etwas vorzustellen. Doch schnell schwebte der Duft in die Nasen, verführte zum ersten Bissen und provozierte sofort ein langatmiges Stöhnen.

Seitdem sind die Besucher des Public Backings völlig Feuer und Flamme für die jedes Mal neu komponierten Freudenbringer. Eigentlich sollen sie den Hunger stillen, bewirken aber genau das Gegenteil, machen Lust auf mehr und gehen in Windeseile in Rauch auf. „Weil der Steinofen die doppelte Hitze eines normalen Ofens erreicht, braucht der Teig weniger Hefe und mehr Wasser“, erzählt Mary. Das Geheimnis für die optimale Komposition mailte ihr eine Bloggerin aus Sizilien.

Damit die Pizzen und Brote im Ofen gut gedeihen und hygienisch korrekt bleiben, zeigt Feuerwerker Philippe allen Keimen, was eine Harke ist. Mit der verteilt er nach jedem Backgang die Glut auf dem Boden der Feuerbüchse. Die Hitze brenne die Fläche wieder sauber, erklärt er und schaut zu, wie die rotglühende Kohle auch die Kuppel des Ofens weiß färbt.

Ruß entstehe durch Oxidation, erzählt er, doch wenn der Ofen richtig heize, habe der Sauerstoff in der Luft keine Chance zum Schwärzen. Rund 8,5 Tonnen wiege das Bauwerk im Rohzustand, also noch unverfugt und ohne Dach, ergänzt Mary – und ein paar Pfund davon seien Zigarettenstummel und Kronkorken.

Historisch verbürgtes Fastfood

An jedem zweiten Sonntag im Monat lädt das Duo alle Freunde des Teigknetens auf das Areal der Künstlerkolonie und bittet zum kollektiven Backen gegen eine kleine Kollekte für Holz und Zutaten. Zu Beginn der Session steht historisch verbürgtes Fastfood auf der Speisekarte: Pizza, Flammkuchen und was den Hobby-Bäckern sonst noch so auf den Schieber kommt. Später garen Brotlaibe in der Backröhre und zum nächtlichen Finale gelangen Schamottsteine in den Schlund, die später als kompakte Heizkörper dienen. Wenn der Laie am nächsten Morgen denkt: Jetzt ist der Ofen aus – so irrt er abermals. Denn die restliche Wärme reicht immer noch für einen frisch gebrühten Kaffee.

Diesmal aber fällt das Public Backing auf den ersten Samstag im Mai, da Textilkünstlerin Mary an dem Tag ihr Atelier namens „Colorsphere“ eröffnet und Künstler des Hauses ihre Werke präsentieren. Natürlich gibt es zur Feier des Tages neben reichlich Musik auch eine angemessene Premiere: den Kleiderkreisel. Wer schon immer wissen wollte, wie das Upcycling funktioniert, ist eingeladen, reichlich ausrangierte Textilien mitzubringen. Und natürlich Teig. Sowie etwas Kohle. Für die Spendenbüchse.

Public Backing am 07. Mai ab 16 Uhr in der Künstlergilde Hansa 3, auf der Hansastraße 3.