Merken

Prozessauftakt gegen Asylzündler

Vorm Landgericht müssen sich vier Angeklagte für den Brand an einem geplanten Asylheim verantworten. Doch einer will keinen Molotowcocktail geworfen haben.

Teilen
Folgen
© R. Meinig

Tobias Hoeflich

Es gab wohl gute Gründe, dass das Landgericht nicht nur einen Verhandlungstag angesetzt hat. Mehr als eineinhalb Stunden brauchen die beiden Richter Joachim Kubista und Sven Andreae am Montagmittag schon allein, um die Vorstrafen der vier Angeklagten aufzulisten. Auf über 50 Einträge im Bundeszentralregister bringt es das Quartett, das auf der Anklagebank sitzt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft diesmal: gemeinschaftlich begangene Brandstiftung.

Es ist die Nacht vom 6. zum 7. Oktober vergangenes Jahr, als vier Molotowcocktails auf die leer stehende Schule in der Boxberger Straße in Prohlis fliegen. Zwei Tage später hätten in das Haus Flüchtlinge ziehen sollen. Von zwei Seiten werfen die Täter die Brandsätze auf das Gebäude. Der kurz nach dem Anschlag eintreffenden Feuerwehr gelingt es schnell, den Brand zu löschen. Der Schaden hält sich in Grenzen: Eine Holztür ist beschädigt, Fensterscheiben sind kaputt. Nach vier Monaten Ermittlungen verkündet die Staatsanwaltschaft im Januar, Anklage zu erheben. Einer der Täter, Marcel K., ist schon im Juni zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. „Es war eine Dummheit“, zeigte sich K. damals reumütig.

Am Montag nun sitzen die drei Mittäter vor dem Richter. Neben den beschuldigten Dirk S., Robert H. und Raschid S. hat auch Aniko A. auf der Anklagebank Platz genommen. Sie soll laut Staatsanwaltschaft zum Anschlag angestiftet haben, verweigert nun aber die Aussage. Zwei der drei Männer, Dirk S. und H., hatten dagegen schon vor der Verhandlung die Tat gestanden.

In den Lebensläufen der drei männlichen Angeklagten finden sich diverse Gemeinsamkeiten – nicht nur die Liste der Vorstrafen: Alle kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen, gehen oder gingen lange Zeit keiner geregelten Tätigkeit nach, haben Probleme mit Drogen. Die Eltern von Dirk S. etwa trennten sich, als er vier war. Die Ausbildung hat er abgebrochen und dann „in den Tag hineingelebt“. Drogen, vor allem Haschisch und Crystal, gehörten zum Alltag. Drei Haftstrafen hat der 33-Jährige verbüßt, saß dafür mehr als zweieinhalb Jahre im Gefängnis.

„Furcht vor dem Ungewissen“

Bei Robert H. klingt der Lebenslauf ähnlich: Nachdem sich die Eltern früh trennten, wuchs er bei der Oma auf, beging schon zu Jugendzeiten diverse Delikte. Hasch, Koks und Crystal nimmt er zu sich. Derzeit arbeitet H. selbstständig als Hausmeister und DJ. Zum Leben reichen die Einkünfte nicht. Und schließlich sitzt da Raschid S., dessen Vater aus Algerien stammt. Die Mutter verstarb noch im Kindesalter, die Schule verließ er nach der 7. Klasse. Harte Drogen nehme er nicht mehr, sagt er vor Gericht aus. Dafür sei derzeit vor allem Alkohol ein Problem.

Detailliert erklären Dirk S. und Robert H. am Montag, wie es zur Tat kam. Zu viert hätten sie sich am Abend des 6. Oktober getroffen und vier Molotowcocktails gebastelt. Ein Kanister mit Benzin sei schon im Keller gewesen. Im Keller nebenan hätten sie ein Stück Stoff gefunden, aus dem sie die Lunten fertigten. Zu den vier Cocktails füllten sie noch vier Gläser nur mit Kraftstoff ab. Dirk S.: „Wir haben die Flaschen gefüllt, die Lunten reingetan und dann ging‘s ziemlich schnell.“ Nachdem sie noch eine Line konsumierten, teilten sich die vier Männer in Zweiergruppen auf: die einen warfen die Brandsätze Richtung Hauptfassade, die anderen zur Hoffront des Gebäudes.

Warum das alles, will Richter Kubista wissen. „Die Angst um das Umfeld und die Kinder, die Furcht vor dem Ungewissen, was auf uns zukommt“, sagt Dirk S. Und Robert H. erklärt später: „Wir wollten verhindern, dass so viele junge Männer kommen.“ Raschid S. bestreitet dagegen, bei dem Anschlag dabei gewesen zu sein, äußert sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen. Ob sich das im Verlauf des Verfahrens ändert? Fünf weitere Termine sind für den Prozess angesetzt. Schon am Donnerstag muss das Quartett wieder im Gerichtssaal Platz nehmen.