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Proteststurm gegen Lidl

Warum ein Werbeprospekt des deutschen Discounters in Tschechien sehr wütende Reaktionen gegen Multikulti auslöste.

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© Screenshot der LIDL.cz-Webseite

Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Wenn es nach der Meinung vieler Tschechen bei Facebook geht, dann hat sich der deutsche Discounter Lidl in Tschechien „Unglaubliches“ geleistet. Auf einer Werbeanzeige im aktuellen Flyer posiert ein männliches Model für einen leichten Pullover. Das Problem: Es handelt sich bei dem Model um einen Schwarzen.

So normal das für Lidl ist – bei tschechischen Kunden sorgte das für blankes Entsetzen. Auf der Facebook-Seite von Lidl brach ein regelrechter Shitstorm los.

„Wir haben gern bei Ihnen gekauft. Doch kommen Sie uns bitte nicht mit Multikulti!“, heißt es da. „Auf Werbeflyern in Tschechien erwarte ich typisch tschechische Models“, schreibt ein weiterer Nutzer. Ein anderer formuliert drastisch: „Ich bin angewidert. Multikulti führt zur Auslöschung der weißen Rasse.“

Derlei kommt nicht zufällig in Tschechien. Über Jahre wurden die einheimischen Roma angefeindet, auch wegen ihrer dunkleren Hautfarbe. Vor einiger Zeit gab es in Städten an der Grenze zu Sachsen, wie Litvinov oder Varnsdorf, an den Wochenenden regelmäßig Protestmärsche gegen die „Zigeuner“ mit Parolen, die letztlich die Polizei zum Eingreifen veranlassten.

Die Roma hatten zuletzt Ruhe, weil die Rassisten einen neuen Feind ausgemacht hatten: die Flüchtlinge. Prag erlebte immer wieder Protestdemonstrationen, auf denen gebrüllt wurde „Tschechien den Tschechen!“. Merkel-Porträts mit Hakenkreuz wurden hochgehalten. Eigenen Politikern, die die „Illegalen“ in ihr Land lassen würden, drohte man das Ende an mitgeführten Galgen an. Die Ähnlichkeit zu Pegida-Montagen waren nicht zufällig: Die tschechische Anti-Islambewegung unterhält enge Kontakte nach Dresden.

Präsident Milos Zeman sprach auf einer Veranstaltung, auf der auch der Chef der tschechischen Anti-Islamisten redete. Zeman ist längst zum Sprachrohr der tschechischen Fremdenfeinde avanciert, rief vor einem halben Jahr in einem Zeitungs-Chat zur „Bewaffnung“ der Tschechen auf. Dieser Tage kam dann der ihm nahe stehende Innenminister Milan Chovanec mit dem Vorschlag, den Tschechen in der Verfassung den Zugang zu Waffen zu erleichtern. Die Bürger sollten die Sicherheitskräfte gegen Terroristen unterstützen. Und das, obwohl die Flüchtlinge einen großen Bogen um Tschechien machen und die Terrorgefahr im Land nach Bekunden eben des Innenministeriums vergleichsweise gering sei.

Um – so Kommentatoren – „die Panik der Tschechen weiter zu schüren“, dürfen Besucher der Prager Burg, dem Sitz Zemans, seit Monaten erst nach einer gründlichen Kontrolle auf das Areal des Hradschins. Seither bilden sich dort lange Schlangen. Ein Kommentator des Nachrichtenportals „Aktualne.cz“ schrieb dieser Tage sarkastisch, es gebe „kein idealeres Ziel“ für einen Terroristen, als, nach dem Beispiel von Berlin, mit einem Lkw in diese Menschenmengen zu rasen.

Zeman hat ungeachtet dessen viele Anhänger. Seine Beliebtheit liegt nach Umfragen bei über 50 Prozent. Und die Zeitungen, die gegen die Pläne zur Bewaffnung der Tschechen wettern, räumen gleichzeitig ein, dass dieser Vorschlag vielen Tschechen sehr wohl gefallen werde.

Doch es gibt auch noch Tschechen, die sich mit diesem Kurs nicht abfinden. So kursieren jetzt auf Facebook massenhaft Logos mit dem Titel „Ich bin Lidl“ – in Anlehnung an das Echo auf den Anschlag auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo. Ein bekannter Kommentator erntete Hunderte erhobene Daumen und köstliche Kommentare für seine Bemerkung: „Die Lidl-Werbung untertreibt – ich habe in meinem Supermarkt sogar einen Schwarzen direkt beim Einkauf ertappt.“ Andere Facebook-Nutzer fragen, ob sich Tschechien jetzt auch von dunkelhäutigen Touristen abschotten wolle, deren Geld man gemeinhin sehr gern nehme.

Die Posts der Lidl-Feinde sprächen nur für die „Erbärmlichkeit“ und „Dummheit“ vieler Leute. Und ein letzter satirischer Spruch noch: „Das mit dem Schwarzen geht wirklich zu weit. Ich beantrage sofort einen Waffenschein. Am besten gleich für einen Panzer.“

Die Sprecher von Lidl bezog unterdessen auf Facebook deutlich Position: „Wir leben im 21. Jahrhundert.“ Da lebten Menschen verschiedener Hautfarbe zusammen. „Wir sehen da keine Unterschiede, beschäftigen Models aus allen Teilen der Welt.“ Und direkt an die Kritiker gewandt, postete das Unternehmen: „Je mehr Sie von der Welt kennen, desto größere Toleranz entwickeln Sie.“