Merken

Prostituierte mit Schuh-Tick bestellt Tausende Paare

In einem sechswöchigen Anfall von Kaufsucht hat eine Frau einen Schaden von 121 000 Euro verursacht. Im Amtsgericht Dresden musste sie sich dafür verantworten.

Teilen
Folgen

Von Alexander Schneider

Ob Nicole D. auch vor Glück geschrien hat, als der Postbote bei ihr klingelte? Die Dame für horizontale Gewerbeangelegenheiten mit einem ausgeprägten Schuh-Tick hätte wohl sehr schnell ihre Stimme verloren.

In nur sechs Wochen hat die 32-jährige Prostituierte immer wieder im Internet Schuhe, Handtaschen und diverse andere Accessoires bestellt und nach Hause liefern lassen. Nein, nicht beim schreifreudigen Mode-Versender Zalando, sondern bei Görtz in Hamburg. Sprachlos macht auch das Ausmaß des Kaufrauschs: Ende Januar 2014 zeigte das Schuhhaus die Bestellerin an: Sie hatte ab Mitte Dezember 2013 mehr als 121 000 Euro offene Rechnungen aufgehäuft. Auch das ist zum Schreien.

Kein Wunder, dass die Kripobeamten bei solchen Zahlen an eine ausgebuffte Betrugsserie dachten. Doch es kam überraschend anders, wie sich gestern am Amtsgericht Dresden herausstellte – im Prozess gegen Nicole D. und ihre vermeintliche Mittäterin, eine 26-jährige Ungarin, eine Kollegin im Rotlicht-Milieu. 36 Bestellungen warf die Staatsanwaltschaft der Hauptangeklagten vor. Ihre Komplizin habe die Ware dann in der Internet-Plattform „Kleiderkreisel“ zu Bargeld gemacht und weit über 20 000 Euro erzielt. Das sei ein gewerbsmäßiger Betrug in beiden Fällen.

„Ich war wie im Kaufrausch. Es ging mir nicht gut, ich hatte persönliche Probleme“, schluchzte Nicole D. Niemals hätte sie gedacht, einen solchen Schaden verursacht zu haben. Einen Großteil der Ware habe sie verschenkt, das Meiste an die Mitangeklagte. Bergeweise Schuhe und Handtaschen.

Etwa die Hälfte der Ware stellte die Polizei bei D. sicher – alles unbenutzt – und schickte sie zu Görtz zurück. Angeblich war ein Sicherheitsproblem bei Görtz dafür verantwortlich, dass der Betrug erst nicht auffiel. Tatmittel war das Handy ihres damaligen Partners – eines Polizeibeamten, fast doppelt so alt wie die 32-Jährige.

„Sie drängte mich zu dem Handyvertrag“, sagte der Beamte als Zeuge. „Ich habe ihr gleich gesagt, sie solle nicht damit bestellen.“ Es habe schon früher einmal Probleme gegeben, weil die Frau maßlos eingekauft habe. „Sie hat meine Gutmütigkeit ausgenutzt“, schimpfte er los. Sie sei bockig gewesen. Dabei wurde jedoch klar, dass der Mann wohl von den Bestellungen gewusst haben muss. Der Polizist sagte, seine Freundin habe ihn aus dem Schlafzimmer gesperrt. Er sei nicht für sie verantwortlich. Andere Zeugen berichteten, die Pakete hätten sich in der ganzen Wohnung gestapelt. Doch auch in der Wohnung des Beamten fanden sich offenbar Görtz-Pakete. „Gegen den Polizisten wurde natürlich nicht ermittelt“, kritisierte ein Verteidiger.

„Es waren Geschenke. Ich dachte, sie hat einen reichen Freier“, so die Mitangeklagte. Sie sei extra mit ihrem Mann bei D. gewesen – dort sahen sie die Pakete mit ihrer Adresse, auch Rechnungen. Auch weil sie mit einem Polizisten zusammen war, glaubten wir, es ist alles okay“, sagte der Mann der Ungarin. Aufgrund der Masse der Geschenke habe er seiner Frau geraten, „das Zeug zu verkauften.“

Richter Thomas Hassel sprach die Mitangeklagte frei. Sie habe sich nicht an dem Betrug beteiligt. Nicole D. wurde von Hassel wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt: „Das Motiv liegt irgendwo anders, Habgier war es nicht.“