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Projekt Lückenschluss

Überall wo Ruinen verfallen, bleiben Lücken im Stadtbild. Das muss gestoppt werden.

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© Kristin Richter

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Häuserlücken in der Innenstadt sind ein bisschen wie Zahnlücken im Gebiss. Irgendwann muss man sich darum kümmern, und dann soll es nicht nur schön aussehen, es sollte auch rundherum alles funktionieren. Wehe, wenn da gepfuscht wird. Während der Dentist erst mal Abdrücke von der Zahn-Umgebung nimmt, holt der Bauherr zunächst das Vermessungsbüro. Denn bei vielen Stadthäusern müssen erst einmal offiziell die Grenzen festgestellt werden. Selten war das nötig, die Häuser standen, wo sie standen. Doch wird eine Baulücke neu bebaut, ist es, wichtig zu wissen, wem der Giebel, ein Fenstervorsprung oder eine alte Hauswand wirklich gehören. Meist sind die Nachbarn da zunächst verschreckt, aber üblicherweise, findet sich ein praktischer Ausgleich.

© Kristin Richter

Oft bleibt alles, wie es war, und das wird amtlich bescheinigt, erzählt Architekt Michael van der Burgt. Den 56-jährigen Architekten aus Celle hat es persönlich nach Großenhain verschlagen, und nun lässt ihn diese Stadt nicht mehr los. Sein eigenes Haus bei Magdeburg will er verkaufen und hier leben. Wann das passiert, wird wohl darüber entscheiden, an welcher Stelle er sein eigenes kleines Stadthaus baut.

Van der Burgt ist erklärtermaßen Lobbyist alter Innenstädte, an die glaubt er im Sinne seiner Bewohner. „Heute bauen wir technisch perfekte Häuser auf der grünen Wiese – und sozial ist das eine Katastrophe für die Menschen“, sagt er beispielsweise. Die Einerlei-Bungalow-Siedlungen würde er am liebsten verbieten, Altenheime sowieso. Denn van der Burgt ist vom Miteinander in den kleinstädtischen Innenstädten überzeugt. Davon, dass sich eine Innenstadt in die Moderne mitnehmen lässt – mit grünen Dachterrassen zum Beispiel, Garagen, die geschickt im Erdgeschoss untergebracht sind, mit zu altersgerecht umgebauten Ladenschäften und vielem mehr. Nur die Fassaden auf Alt zu erhalten wie in einer Puppenstube, ohne Leben dahinter, weil keiner mehr so leben will – davon hält er nichts. Weil der Mann einfach nicht anders kann, hat er immer wieder gezeichnet, sich Baulücken angesehen, neue Entwürfe gemacht.

Treffen mit den Vermessern

Mit dem Projekt „Stadthaus Frauengasse 16“ hat er bereits bewiesen, dass man Stadträte und Denkmalschützer durchaus von neuen Entwürfen überzeugen und sie in Einklang mit dem Erhalt des Stadtbildes bringen kann. Ende März soll für die Frauengasse 16 die Vermessung vorliegen, im April sei mit dem fertigen Bauantrag zu rechnen. „Wenn man etwa drei Monate Bearbeitungszeit einplant, könnte im Sommer die Baugenehmigung vorliegen“, so van der Burgt. Unter Druck will er sich nicht setzen. „Ich weiß, was es beim innerstädtischen Bauen für Überraschungen geben kann, da muss man Geduld haben“, so van der Burgt. Bauherr ist die Nova Haus GmbH von Jörg Heller. Der Makler tritt damit erstmals auch als Bauträger auf.

Van der Burgt wiederum ist es wichtig, dass Entwürfe und Umsetzung aus einer Hand kommen. Gerade bei den etwas größeren Baulücken, wie der vom ehemaligen Sachsenhof an der Ecke Meißner Straße, wo etliche Stadthäuser stehen könnten, ist ihm die harmonische Anmutung des Ensembles wichtig, und die sei nur zu verwirklichen, wenn nicht jeder Bauherr etwas anderes mache. Überhaupt findet van der Burgt, dass sich die Menschen früher viel mehr Mühe mit Gestaltung und Harmonie gegeben haben. „Heute findet man ja kaum jemanden, der reine aufwendige Stuckfassade bauen kann und wenn, dann ist das unbezahlbar“, sagt er. „Aber dieselben Leute besuchen heute solche Städte als Touristen, wo das noch zu sehen ist.

Die neumodischen Blocks, auch im Westen der Republik, will keiner sehen“, sagt er schulterzuckend. Mit seinen 56 Jahren will er nur noch schöne Dinge bauen, Anregung geben und andere ermuntern, das auch zu tun. Die unscheinbare Lücke Meißner Straße 52 könnte sein Anfang werden, Großenhain schöner und moderner zu machen. Nicht nur wegen der Genehmigungswege liegt dieses Projekt günstig. Es wird auch mit 206 Quadratmeter, bei 150 bis 160 Quadratmetern bebaubarer Fläche, ein kleines und damit bezahlbares Stadthaus. Dazu mit Dachterrasse und einem kleinen Garten nach hinten. Steht erst mal ein Stadthaus, kann die Idee des individuellen Wohnens um sich greifen und Menschen in die Innenstadt bringen, denen die Häuser gehören und das Drumherum im Viertel nicht egal ist.