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Problemhunde halten Tierheim Horka auf Trab

Unzugänglich, mit Beschützertrieb, aber keine Bestien – das St. Horkano hat schwierige Kandidaten zu betreuen.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Horka. Das Tierheim Horka hatte wirklich schon pflegeleichtere Bewohner. Ende des vergangenen Jahres ging es in der Einrichtung noch mal richtig rund. Im Dezember trafen Hunde ein, deren erfolgreiche Vermittlung noch einige Arbeit erfordern wird.

Regelmäßig nimmt das St. Horkano in Kooperation mit dem Verein Tierhilfe Hoffnung Hunde aus dem größten Tierheim der Welt im rumänischen Pitesti auf, um sie nach einer gewissen Zeit der Akklimatisierung hier an Interessenten weiterzuvermitteln. Am 6. Dezember trafen zwei als „große Mischlinge“ avisierte Rüden ein, deren Herkunft Rosemarie Zille allein schon wegen ihres Aussehens näher interessierte. Die Tierheimchefin schaute im Internet nach. Bebe 1 und Bebe 2 – so die Namen der beiden laut den Transportpapieren – stellten sich anhand ihrer stattlichen Größe, der kräftigen Statur und dem unnahbaren Wesen als zentralasiatische Owtscharkas heraus. Hütehunde, die eigentlich in den Weiten des Kaukasus zu Hause sind. „Die gehören genauso wenig in unsere Breiten wie ein Graupapagei“, zeigt sich Rosemarie Zille skeptisch. Denn nicht nur ihre Erscheinung macht sie zu etwas Besonderem, vor allem ihr Charakter ist unter mitteleuropäischen Hunden eher unüblich. „Zentralasiatische Owtscharkas sind Herdenschutzhunde, die in ihrer Heimat zwar in den Dörfern der Menschen leben, aber weitgehend allein zurechtkommen und das in ihrem Verhalten auch kundtun“, berichtet die Tierheimleiterin. Die Rasse besitzt einen ausgeprägten Schutztrieb. Bewacht wird alles, was zum engsten Vertrautenkreis gehört. Fremden gegenüber verhalten sich Owtscharkas aggressiv. „Die Hunde entscheiden allein, was sie machen wollen und was nicht. Sie sind sehr selbstständig und für die Wohnungshaltung völlig ungeeignet.“ Kommandos beibringen könne man ihnen zwar, müsse jedoch mit ihrer angeborenen Sturheit rechnen.

Bebe 1 ist ein 16 Monate junger brauner Rüde, der noch in Rumänien an einem Nabelbruch operiert wurde und der – über den Tag verteilt – viele kleine Mahlzeiten bekommen muss, um seinen Magen nicht zu überlasten. Noch ist er nicht völlig ausgewachsen, könnte also noch ein paar Zentimeter zulegen. Sein Kompagnon, Bebe 2, ist eineinhalb Jahre alt und entwickelt sich allmählich zum Beschützer. „Man merkt das, wenn er sich vor seinen ‚kleinen Bruder‘ stellt. Oder wenn er sich vor ‚seine‘ Tierpflegerin schiebt, wenn ein ihm Fremder am Gehege vorbei geht.“ Eine neue Familie würden die beiden zentralasiatischen Owtscharkas nach etwas Eingewöhnungszeit sicherlich akzeptieren, nicht aber Freunde und Verwandte, die sich nur ab und zu sehen ließen, erklärt Rosemarie Zille die Besonderheit der Rasse. Außerdem sei an der Leine spazieren nicht unbedingt ihr Ding. „In ihrer ursprünglichen Heimat brauchen sie auf niemanden zu hören, Sie kümmern sich einfach. Das ist auch genetisch so bedingt. Das haben die beiden Rüden nicht verloren, auch wenn sie jetzt aus Rumänien kommen.“ Dass sie im Haushalt lebende Katzen, Kaninchen oder Vögel nicht jagen und fressen dürfen, werde für sie genauso schwer zu begreifen sein. Denn: Als Hütehunde im Kaukasus sind sie in der Regel Selbstversorger.

Aus all dem zieht die Tierheimchefin dieses Fazit: „Bebe 1 und Bebe 2 sind keine Bestien. Sie lassen sich noch formen, aber es ist nicht leicht.“ Mit drei Jahren seien Hunde dieser Rasse geistig ausgewachsen, die verbleibende Zeit bis dahin müssten die neuen Besitzer intensiv nutzen. Im Tierheim versuche man die beiden zottigen Riesen momentan zu sozialisieren und mit möglichst vielen Menschen zu konfrontieren. „Wer sich für sie interessiert, sollte schon etwas Erfahrung mitbringen. Man muss wissen, dass Pyrenäenberghunde, die von einigen Schäfern genutzt werden, längst nicht mehr so urwüchsig sind wie unsere beiden Schützlinge.“ Hütehunde müssten frei laufen. Ob das mit den beiden Kaukasiern funktioniere, sei nicht sicher. „Am besten wäre, es würde sich jemand finden, der ein riesiges Grundstück hat und es bewachen lassen will. Je größer die Aufgabe ist, desto mehr sind Bebe 1 und Bebe 2 dafür geeignet.“ Ganoven hätten da keine Chance, ebenso wenig wie Fuchs und Hase. Auch Katzen würden den Fehler, neugierig über das Gelände zu laufen, wahrscheinlich nur einmal machen.