Merken

Prinzessin von Sachsen liebt die Oberlausitz

Nur ein japanischer Tourist ignoriert alle blau-gelben Oberlausitzfarben.

Teilen
Folgen
NEU!
© nikolaischmidt.de

Von Ralph Schermann

Freitag, elf Uhr. Die Sonne strahlt. Gerd Münzberg auch. Überall an der Altstadtbrücke sieht der Vorsitzende des Deutsch-polnischen Bürgerforums Oberlausitz farbenfrohe Kostüme. Vor allem blau-gelbe. Es wimmelt nur so von Königen und Knappen, Rittern und Mönchen, Fahnenschwenkern und Edelfrauen. „Wie ein verfilmtes Mosaik-Heft“, sagt im Vorbeigehen der Görlitzer Peter Mechtnig und sieht sich vorsichtshalber um, ob nicht noch Ritter Runkel um die Ecke kommt. Kommt er nicht. Dafür donnern die Görlitzer Traditionsschützen derart gewaltige Böller, dass doch tatsächlich beim Erschrecken einem Trachtenträger der Hut herunterfällt.

Theophana Prinzessin von Sachsen übernahm die Schirmherrschaft über den zweiten Tag der Oberlausitz. Auch für nächstes Jahr hat sie bereits ihre Teilnahme wieder fest zugesagt.
Theophana Prinzessin von Sachsen übernahm die Schirmherrschaft über den zweiten Tag der Oberlausitz. Auch für nächstes Jahr hat sie bereits ihre Teilnahme wieder fest zugesagt. © nikolaischmidt.de

In der Gegenrichtung hat Gerd Münzberg kurz zuvor die Fahne gehisst. „Das ist die einzige und die offizielle Fahne der Oberlausitz mit allen zugehörigen Stadtwappen drin“, erklärt er stolz und damit den zweiten Tag der Oberlausitz nach dem Protokoll für eröffnet. Voriges Jahr gab es an gleicher Stelle die Erstausgabe, fortan soll es so einen Tag immer am 21. August geben. An jenem Tag, an dem 1346 der Oberlausitzer Sechsstädtebund gegründet wurde. „Das ist ein Tag der Emotionen für unsere Heimat“, sagt Münzberg feierlich.

Dem Görlitzer Auftakt folgen gestern über hundert Veranstaltungen überall in jenen Landen, die das Bürgerforum „deutsche und polnische Oberlausitz“ nennt. Sogleich machen sich einige Gäste wieder auf den Weg, um in ihren Heimatorten teilzunehmen, etwa die Darsteller des historischen Kaiserzugs Karl IV. aus Oybin. „Für die nächsten Jahre erwarten wir noch mehr Kreativität“, verspricht Münzberg, vielleicht auch mit einem Seitenblick auf lediglich rund 50 Besucher – wesentlich weniger als im vorigen Jahr. Dafür aber ist die Liste der Offiziellen aus Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik lang. Und statt Ministerpräsident Stanislaw Tillig im Vorjahr übernimmt diesmal Theophana Prinzessin von Sachsen und Herzogin zu Sachsen die Schirmherrschaft – die Schwägerin des Chefs des Hauses Wettin und, wenn man so will, Nachfahrin August des Starken. Sie spricht die ersten Sätze respektvoll polnisch und erinnert daran, dass die königliche Familie die Oberlausitz immer besonders liebte. Denn nur aus dieser Region kamen bei allen Geburten die Ammen. Sie schimpft auf „die alten Männer, die in Jalta und Potsdam die Neiße zur Grenze erklärt“ haben ebenso wie auf „die Görlitzer Kirche, die heute analog 1815 keine Verbindung mit Dresden hat“. Die Teilung der Oberlausitz vor 200 Jahren sei bedauerlich, doch der Tag der Oberlausitz mache froh: Er bringe die Einheit der Oberlausitz zurück. Münzberg vertieft das: „Das entspricht dem Gedanken von der Einheit Europas.“

Diesem Gedanken entspräche es auch, die Altstadtbrücke in „Via-regia-Altstadtbrücke“ umzubenennen und ein Ost-West-Nord-Süd-Wegekreuz „als internationale Begegnungsstätte“ einzurichten, erneuert Gerd Münzberg Vorschläge des Bürgerforums in Richtung der Vertreter aus den Görlitzer und Zgorzelecer Rathäusern. Neu hingegen ist, dass das polnische Ensemble „Oberlausitzer blaue Westen“ das Oberlausitzlied zu Akkordeon und Gitarre erstmals auch auf polnisch singt. „Eine Weltpremiere“, sagt Münzberg. Die elf Bläser und drei Schlagwerker vom Blasorchester Turow dagegen bieten neben heimischen Märschen und Schlagern auch originelle amerikanische Gospelvariationen. Nur ein japanischer Tourist ignoriert alle blau-gelben Oberlausitzfarben und weicht vielmehr den blauen Uniformen der absichernden Polizisten nicht von der Seite. „Please, Sir, darf ich Sie fotografieren?“ Er darf.