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Prießnitz für alle?

Der Fluss muss umverlegt werden, Kleingärtner weichen. Was mit deren Fläche passiert, sollen die Dresdner entscheiden.

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© Sven Ellger

Sarah Grundmann

Normalerweise ist der Zugang vom Travestie-Theater Carte Blanche zur Prießnitz verschlossen. Für eine mit Gummistiefeln bewaffnete 25-Mann-Gruppe wurde am Donnerstagabend allerdings eine Ausnahme gemacht. Unter Leitung von Jens Olaf Seifert, Abteilungsleiter vom Umweltamt, und auf Einladung von Linken-Stadträtin Jacqueline Muth gab es einen Fluss-Rundgang. Dem Trupp hatten sich auch einige Kleingärtner aus der Sparte „Prießnitzaue“ angeschlossen. Sie bangen um ihre Parzellen.

Denn das Umweltamt plant, den Fluss um zehn bis 15 Meter zu verlegen. Künftig schlängelt er sich dann dort entlang, wo jetzt noch die rund 100 Hobbygärtner ihr Domizil haben. Wenn die Bagger – voraussichtlich Mitte 2019 – anrollen, müssen alle 36 Parzellen geräumt werden. Ob ein Teil der Gärtner wieder zurückkommen kann, ist noch unklar. Zwar hat es das Umweltamt geschafft, rund 4 000 der 12 000 Quadratmeter der Spartenfläche für eine spätere Nutzung zu sichern. Doch was dort passiert, sollen die Dresdner entscheiden. Für Mitte 2018 ist eine Diskussion mit den Bürgern geplant. Von dieser Neuigkeit waren die Kleingärtner wenig begeistert: „Warum kann man denn nicht von Anfang an festlegen, dass wir wieder zurückziehen können?“, fragte eine Gärtnerin. Ein anderer bezweifelte, ob die Umverlegung der Prießnitz überhaupt notwendig ist. „Eine Enteignung ist doch wirklich ein sehr drastisches Mittel und Kleingärten sind ein Kulturschatz“, bestärkte ein Anwohner. Doch Seifert sieht keine andere Möglichkeit.

Dass sich an dem Fluss dringend etwas tun muss, wird beim Abstieg am Carte Blanche recht schnell deutlich: Riesige Gesteinsbrocken liegen kreuz und quer am Ufer herum. „Das Wasser greift auch die Mauern und Bauwerke an“, sagt Seifert. Es droht Einsturzgefahr. Zudem ist auch die Wasserqualität schlecht. „Wäre die Prießnitz ein Mensch, wäre sie sehr krank.“ Relativ schnell war deshalb klar, dass eine Sanierung notwendig ist. Aber warum muss der Fluss dafür verlegt werden?

„Wir haben natürlich auch eine Sanierung im Bestand geprüft“, sagt Seifert. Allerdings gibt es für den Gewässerbau Auflagen, die europaweit gelten. „Wenn wir etwas anfassen, müssen wir bestimmte Ziele erreichen.“ Andernfalls gibt es für die Bauarbeiten keine Förderung. So soll die Prießnitz künftig vor einem 100-jährigen Hochwasser geschützt sein, einem Ereignis, das statistisch alle 100 Jahre auftritt. Allerdings geht es dabei nur um den Fluss selber. Sollte die Elbe erneut über ihre Ufer treten, wird die angrenzende Fläche trotzdem überschwemmt.

„Uns wurde ziemlich schnell klar, dass eine Sanierung im Bestand nicht möglich ist“, sagt Seifert. Denn die Umverlegung ist nicht nur schneller realisierbar und günstiger. „Es ist auch die einzige Variante, mit der ein Hochwasserschutz möglich ist.“ Denn an den Ufern muss genug Fläche vorhanden sein, die überschwemmt werden kann. Deswegen muss die Prießnitz von den Häusern entfernt werden. Der Abteilungsleiter räumt ein, dass es dieses Problem nicht geben würde, wenn sie nicht so nah an dem Fluss errichtet worden wären. „Dann hätten wir zwar auch ein krankes Gewässer, würden aber nicht eingreifen.“

Den Unmut der Kleingärtner versteht er. „Auch uns wäre eine Sanierung im Bestand lieber gewesen“, sagt Seifert. An den Fakten kann er allerdings nichts ändern. „Wir versuchen zumindest, eine Ausweichfläche zu finden, wo die ganze Sparte gemeinsam unterkommt.“ Die letzte Chance sich zu wehren, haben die Gärtner, wenn die Unterlagen öffentlich ausgelegt werden. Das wird voraussichtlich Ende kommenden Jahres der Fall sein. Dann kann jeder Bürger Widerspruch gegen die Pläne einlegen. „Ich kann Sie dazu nur ermutigen“, sagt Seifert. Zumindest die Kleingärtner werden dies annehmen.