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Pretzschendorfer Glocken heben ab

Nach 70 Jahren im Kirchturm hat das Dreiergeläut aus Eisenhartguss nun ausgedient. Trotzdem verschwindet es nicht ganz.

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© Egbert Kamprath

Von Anja Ehrhartsmann

Pretzschendorf. Mit dem Kopf im Nacken, den Blick fest auf den Kirchturm gerichtet, standen die vielen Zuschauer am Donnerstagmorgen rund um die Pretzschendorfer Kirche versammelt. Sie alle wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen und die Glocken am Seil des Krans langsam zu Boden schweben sehen. Kindergartenkinder und Grundschüler stellten sich in sicherem Abstand entlang der Straße auf, während die Älteren näher heranrückten und sich mit dem Fotoapparat in Stellung brachten.

Ronny Möllenbruck nimmt die Glocke am Boden in Empfang.
Ronny Möllenbruck nimmt die Glocke am Boden in Empfang. © Egbert Kamprath
Die 2,2 Tonnen schwere Glocke schwebt an einer Kette durch die Luft.
Die 2,2 Tonnen schwere Glocke schwebt an einer Kette durch die Luft. © Egbert Kamprath

Und dann war es so weit. An einer dicken Kette befestigt, hob die erste der drei Glocken ab. Der Kran schwenkte langsam zur Seite und senkte seine schwere Last sachte zu Boden. Für Siegfried Funke, Mitglied des Glockenausschusses in der Kirchengemeinde, ein großer Moment – voller Freude, aber auch mit ein bisschen Wehmut. Immerhin 70 Jahre hingen die Glocken im Kirchturm und begleiteten die Pretzschendorfer durch den Alltag, riefen zu Gottesdiensten und erklangen bei Hochzeiten oder Begräbnissen. Am Sonnabend nach Ostern läuteten sie zum Abschied. Diesen letzten Gruß hat Siegfried Funke aufgezeichnet, schließlich ist er auch Ortschronist.

Seither ist es ein bisschen stiller geworden, sagt er. Anfang dieser Woche wurden die Glocken dann aus ihrer Aufhängung genommen und auf einer Verschiebebahn in der Glockenstube für ihre Reise nach unten bereitgestellt. Damit die große Glocke durch die Schalluke passte, mussten Teile der Sandsteingewände am Balkon des Glockenturms herausgenommen werden. Doch nicht nur die Glocken selbst, auch ihr Tragwerk musste weichen. Die schweren Einzelteile des alte Glockenstuhls brachte der Kran ebenfalls sicher zu Boden.

Einen neuen Glockenstuhl gibt es schon. Ein Zimmermann hat die Konstruktion angefertigt, die Einzelteile sind eingelagert und bereit für den großen Tag. Erst wenn die neuen Bronzeglocken an ihrem vorgesehenen Platz stehen, wird die Holzkonstruktion aufgebaut. Auch das Bronzegeläut, das bald anstelle der Glocken aus Eisenhartguss erklingen wird, ist fertig gegossen und eingelagert. Geweiht werden die neuen Glocken am 3. Juni und tags darauf eingehoben.

Auf den Moment, wenn die neuen Glocken zum ersten Mal erklingen, dürften sich in Pretzschendorf schon einige freuen, denn lange wurde darauf hingearbeitet. Für die neuen Glocken wurde seit 2009 gespart und gesammelt. Viele haben mit ihrer Spende zur Finanzierung beigetragen, sagt Siegfried Funke. Sogar Spenden aus Kanada, wo ein ehemaliger Pretzschendorfer lebt, gingen bei der Kirchengemeinde ein. Ohne all die Unterstützung wäre es auch nicht gegangen, denn unterm Strich wird die Gesamtmaßnahme vermutlich etwas zwischen 130 000 und 150 000 Euro kosten. Einen Teil davon übernimmt die Landeskirche. Das meiste Geld steuert die Kirchengemeinde aber selbst bei.

Doch nicht nur das neue Bronzegeläut im Kirchturm wird die Pretzschendorfer künftig erfreuen. Auch die alten Glocken bleiben dem Ort erhalten und haben direkt neben der Kirche einen Ehrenplatz bekommen.