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Praktiker kehrt zurück

Ein Dresdner und ein Leipziger hauchen der Baumarktkette neues Leben ein. Verkaufshallen brauchen sie nicht.

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© Thomas Kretschel

Von Marleen Hollenbach

Die Geschichte von Praktiker kennt bislang viele Verlierer. Vor drei Jahren ging die Baumarktkette mit der Billigmentalität pleite. Der eingängige Werbeslogan „20 Prozent auf alles, außer Tiernahrung“ verschwand erst aus dem Radio und dann aus dem Gedächtnis. Zurück blieben Tausende Mitarbeiter mit einer ungewissen Zukunft und leere Verkaufshallen, die entweder von der Konkurrenz übernommen oder sogar für die Unterbringung von Flüchtlingen umgebaut wurden.

Doch nun kommen sie: Zwei Sachsen wollen die Geschichte weiterschreiben und aus der Pleitemarke doch noch einen Erfolg machen. Die Unternehmer haben sich die Namensrechte gesichert und in ihr Projekt bereits eine siebenstellige Summe investiert. Ihr Ziel: Praktiker wieder Leben einzuhauchen. Das heißt aber nicht, dass Schrauben und Bretter bald in die Verkaufshallen zurückkehren. Stattdessen soll es den Baumarkt ausschließlich im Internet geben, als Online-Portal.

„Das wird ein Riesending“, da ist sich der Dresdner Dirk Oschmann sicher. Über einen Kollegen erfuhr er vom Verkauf der Marke und hatte sofort Ideen im Kopf. Der 37-Jährige kennt sich in der Branche aus. Angefangen hat der Lebensmitteltechniker ganz klein – in einem Büro in der Neustadt. In den 90er-Jahren registrierte er seine erste Domain. Und er verwirklichte sein erstes Projekt: eine Internetseite, die beim Bau einer Homepage hilft. 2006 gelang ihm der Durchbruch. Der Dresdner verkaufte sein Stromvergleichsportal an den Marktführer und kassierte einen sechsstelligen Betrag. Oschmann überlegte damals, ob er das Geld zum Feiern nehmen oder damit weiter ins Online-Geschäft investieren sollte. „Ich habe beides gemacht. Erst gefeiert und dann Mitarbeiter eingestellt“, sagt er. 13  Angestellte hat er heute, die Portale wie Raumduftshop.de betreiben.

Auch sein Partner, der Leipziger Christoph Kilz, ist im Internet-Business kein Unbekannter. 2010 gründete er die Firma Eisbär Media, betreibt verschiedene Web-Portale, unter anderem ein Synonymwörterbuch. Zudem fährt er mit einem Foodtruck quer durch Deutschland, beliefert zum Beispiel Festivalbesucher mit Hotdogs.

Sie sind modern, kreativ, geschäftstüchtig – richtige Internetprofis eben. Nur eines sind die beiden Unternehmer nicht: Baumarkt-Experten. Kann das gutgehen? Immerhin sprechen die Zahlen für einen Erfolg. Mit einem Gesamtumsatz von fast 18  Milliarden Euro hat die deutsche Baumarktbranche im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent zugelegt. Nach einem Umsatzplus von 1,5 Prozent im ersten Halbjahr rechnet die Branche für 2016 mit einem Zuwachs zwischen 1,3 und 1,5 Prozent. Und noch etwas spricht dafür, dass die beiden Männer mit ihrer Idee ins Schwarze getroffen haben. Vor ein paar Wochen veröffentlichte das Kölner Institut für Handelsforschung eine Studie. Demnach war etwa die Hälfte der Baumarktkunden mit dem Besuch nicht vollauf zufrieden. Die Befragten wünschten sich zielorientierte Beratung ohne Fachchinesisch.

Genau dort wollen die Chefs von Praktiker.de ansetzen. „Unsere Kunden werden auf unserem Portal nicht nur Laminat kaufen können, sondern auch erfahren, wie man es verlegt“, so Oschmann. Die Seite soll über eine Community verfügen – eine Gruppe von Heimwerkern, die anderen Heimwerkern Tipps gibt und Fragen allgemein und speziell zum Produkt beantwortet. Auch professionelle Handwerker sind in dieser Gruppe gern gesehen. „Die müssen ihr Wissen bei uns nachweisen, zum Beispiel ihren Gesellenbrief vorzeigen. Dem Kunden zeigen wir dann, wer ein Experte ist“, erklärt der Dresdner.

Mit ihrer Beratung wollen sie sich von den Internetseiten der großen Baumarktketten unterscheiden. Und auch mit dem Angebot. „Es sind schon viele kleinere Händler zu uns gekommen, die zum Beispiel Spezialwerkzeug oder besonderes Baumaterial verkaufen“, so Oschmann. Die Unternehmer haben eine bestimmte Zielgruppe vor Augen. Männer sind es erstaunlicherweise nicht. Denn die, so die These der Portalbetreiber, gehen gern in den Baumarkt und lassen das auch nicht bleiben, nur weil es ein Online-Portal gibt. „Wir wollen endlich auch Frauen ansprechen. Denn sie haben im Baumarkt oft das Gefühl, von den Männern nicht ganz so ernst genommen zu werden“, sagt der Dresdner.

Im Kopf sind die Pläne schon perfekt. Doch in der Realität sieht es anders aus. Seit einigen Wochen ist die Seite online. Aber nicht so, wie sich die Unternehmer das vorstellen. Noch ist Praktiker.de ein reines Vergleichsportal. Ein paar Bauanleitungen findet man schon, doch von einer Community mit Experten und hilfsbereiten Heimwerkern ist die Seite noch weit entfernt. Auch stammen die angebotenen Produkte bislang ausschließlich von großen Händlern wie Amazon oder Hagebau. „Wir konnten erst fünf Prozent von dem umsetzen, was wir uns vorgenommen haben“, gibt der Dresdner offen zu. Und wie sieht es mit dem Umsatz aus? Wann wird die Seite Gewinn abwerfen? Oschmann winkt ab. „Wir kalkulieren nicht mit Einnahmen, sondern mit Community.“

Die beiden Männer haben schon einen Plan, wie sie Experten gewinnen wollen. So sollen alle Heimwerker, die andere unterstützen, mit Rabatten belohnt werden. Wenn das nicht ausreicht, wollen die Unternehmer die Anreize weiter erhöhen. Momentan hat das Portal pro Tag eine vierstellige Visit-Zahl. Gemeint ist, wie viele Besucher die Internetseite anklicken. Diese Zahl wollen sie im nächsten halben Jahr verzehnfachen. Auch soll es bald möglich sein, die Produkte direkt über das Portal zu kaufen. Den Versand wollen die Unternehmer aber weiterhin den Händlern überlassen. „Wir übernehmen den Kundenkontakt“, so der Dresdner.

Es wird ein langer Weg, für den die Unternehmer viel Durchhaltevermögen brauchen. Zumindest Dirk Oschmann hat schon bewiesen, dass er ein angefangenes Projekt so schnell nicht aufgibt. Seit sechs Jahren saniert er ein mehrstöckiges Haus in Pieschen. Die Büroräume sind fertig. Doch in der Wohnung darunter gibt es noch viel zu tun. Einfach einen Handwerker zu bestellen, das kommt für den Dresdner nicht infrage. „Ich will es selber machen, die Wohnung so gestalten, wie ich es für richtig halte“, sagt er. Spätestens beim 40 Quadratmeter großen Bad hätte ein Handwerker sicherlich auch mit dem Kopf geschüttelt. „Als ich mit den Bauarbeiten begonnen habe, hätte ich mir so ein Portal wie Praktiker gewünscht“, sagt Oschmann. Eines ist schon jetzt klar: Der Chef wird selbst sein bester Kunde.