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Potz Blitz!

In der Region häuft sich die Zahl der Blitzeinschläge. Trotzdem sind Blitzableiter noch immer nicht Plicht.

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© Kenny Scholz

Von Stephan Hönigschmid

Landkreis. Die Einschläge kommen näher und näher. Immer wieder gehen in der Region Blitze nieder und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Zahlreiche Wohnhäuser und gewerbliche Immobilien waren in den vergangenen Wochen und Monaten von diesem verheerenden Naturschauspiel betroffen.

Erst Ende Mai erwischt es einen Dreiseithof im Nossener Ortsteil Wendischbora und ein Einfamilienhaus in Großenhain. Im Juni und Juli setzt sich die Entwicklung mit Einschlägen in ein Haus im Radeburger Ortsteil Bärnsdorf und erst kürzlich in ein Edeka-Großlager in Berbersdorf fort, wo der Blitz ausströmendes Erdgas entzündet und einen Einsatz aller Ortsfeuerwehren des Striegistales mit insgesamt 50 Leuten sowie der Wartungsfirma des Gastanks erforderlich macht.

Da die Blitze in der Regel Brände nach sich ziehen, ist der Sachschaden erheblich. Stellt sich die Frage: Was ist hier los? Warum passiert das jetzt so oft? Ein Blick auf den Siemens Blitz-Atlas des vergangenen Jahres gibt Aufschluss. Der führt Sachsen nämlich mit 43 240 Blitzeinschlägen auf Platz 1 aller Bundesländer. Statistisch gesehen gab es 2015 2,35 Einschläge pro Quadratkilometer. Mit 3 030 Einschlägen bewegt sich der Landkreis Meißen hier im Mittelfeld. Etwas mehr waren es in Mittelsachsen mit einem Wert von 4 089 Spitzenreiter ist das Erzgebirge mit 7 854 Einschlägen, was sich mit der notwendigen Hebung der Luftmassen in der bergigen Region erklärt.

Ein Trend lasse sich daraus jedoch noch nicht ablassen. „Es wird auch wieder ruhigere Jahre geben. Ich halte es verfrüht, die Erderwärmung oder den Klimawandel dafür verantwortlich zu machen“, sagt ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes in Leipzig auf Nachfrage. Er sehe beispielsweise im laufenden Jahr Sachsen keinesfalls weiter vorn. Vielmehr gehe er davon aus, dass Bundesländer aus Süd- und Westdeutschland den Spitzenplatz erobern werden. Grundsätzlich entstehen Gewitter durch schwülwarme Luftmassen, die in der Regel aus Richtung Mittelmeer zu uns kommen. Sind diese kaum in Bewegung, steigt das Risiko für Gewitter und zerstörerische Blitzeinschläge.

Trotz der Vielzahl an Blitzeinschlägen sind Blitzableiter in Sachsen noch immer nicht Pflicht. Paragraf 46 der sächsischen Bauordnung sagt lediglich kryptisch: „Bauliche Anlagen, bei denen nach Lage, Bauart oder Nutzung Blitzschlag leicht eintreten oder zu schweren Folgen führen kann, sind mit dauernd wirksamen Blitzschutzanlagen zu versehen“.

Richtig zwingend ist das am Ende nur bei öffentlichen Gebäuden, Hochhäusern oder Kirchen. Doch, was ist mit allen anderen? Brauchen die etwa keinen Schutz? Der Dresdner Sachverständige für Elektrotechnik und Blitzschutz, Andreas Aust, widerspricht dieser Annahme: „Es wäre deutlich besser, wenn auch für private Häuser überall Blitzableiter und Überspannungstechnik vorgeschrieben wären“, sagt er und fügt an: „Bei der Vielzahl an Haushaltsgeräten mit elektrischen Schaltkreisen, die heutzutage existieren, kann der Schaden enorm sein. Hinzu kommen Probleme durch Datenverluste, die beispielsweise auf Festplatten eintreten können.“ Dennoch räumt der Experte ein, dass es auch mit diesen Vorsichtsmaßnahmen keinen hundertprozentigen Schutz gibt. „Mit einem Blitzableiter kann man etwa eine 98-prozentige Wahrscheinlichkeit erreichen, dass der Blitz abgeleitet wird“, so Aust. Am Ende komme es auch auf den Energiegehalt des Blitzes an. Beträgt dieser mehr als 400 Kiloampere, was sehr selten sei, werde es kritisch.

„Die meisten Wohngebäude fallen in die Kategorie der Blitzschutzklasse 3, welche einen Schutz bis etwa 200 Kiloampere vorsieht.“ Einen noch höheren Schutz gebe es nur für Produktionsgebäude, Tanklager und Munitionsfabriken, sagt Aust.

Ob sich eine Installation lohnt, hängt am Ende von den Sachwerten ab, die bedroht sind. „Mithilfe einer Risiko-Analyse stellen wir Kosten und Nutzen genau gegenüber. Dazu sehen wir uns an, wie viele Einschläge es in der jeweiligen Gegend in den zurückliegenden hundert Jahren gegeben hat und kalkulieren dann die sich daraus ergebende Wahrscheinlichkeit“, sagt Aust.

Für ein Einfamilienhaus schlägt der Blitzableiter an der Außenwand mit ungefähr 2000 bis 3000 Euro zu Buche. Der Überspannungsschutz im Inneren kostet nach Angaben des Experten je nach Größe des Gebäudes noch einmal 3000 bis 6000 Euro. „Wenn man bedenkt, was alles kaputt gehen kann und dass man auch betroffen sein kann, wenn in zwei oder zweieinhalb Kilometer Entfernung der Blitz einschlägt, dann ist das eine gute Investition“, denkt Aust.