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Polizeipräsident ist stolz auf seine Ermittler

Conny Stiehl hat seit 2011 die Polizeidirektion Görlitz verändert. Jetzt muss er nach Zwickau. „Auch gut“, sagt er. Denn er stammt aus der Gegend.

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© SZ/Uwe Soeder

Von Ralph Schermann

Eine kleine Drucksache erinnert Conny Stiehl an ein Versäumnis. Es ist ein Deutsch-Polnisch-Wörterbuch. „Meine Kollegen hatten es mir zum Abschied geschenkt“, sagt er. Das war 2011. Damals kam Stiehl als neuer Polizeipräsident nach Görlitz. „Ich hatte mir wirklich vorgenommen, Polnisch zu lernen, doch anderes war immer wichtiger“, bedauert er heute.

Nun braucht er polnische Vokabeln nicht mehr. Mit Wirkung vom 1. Mai übernimmt der 59-Jährige die Polizeidirektion (PD) Zwickau. Der dortige Chef hat die Stelle des Inspekteurs der sächsischen Polizei übernommen, ein Posten, für den auch Conny Stiehl im Gespräch war. Die jetzige Umsetzung indes hat für ihn einen besonderen Charme – er ist wieder zu Hause.

Nach dem Abitur in Brand-Erbisdorf war das Studium der Kriminalistik an der Berliner Humboldt-Uni sein Ziel, doch das klappte nicht. So ging er Streife im nächsten Polizeirevier, besuchte von 1978 bis 1980 die Offiziershochschule in Aschersleben, um später – von Brand-Erbisdorf aus – ein fünfjähriges Fernstudium an der VP-Hochschule zu belegen. Als kommissarischer Leiter brachte er das VPKA Aue durch die Wendewirren, arbeitete dann in Zwickau und auch im Innenministerium.

„Am 1. April 2011 geriet mein gewohntes Leben allerdings aus den Fugen“, erinnert sich Conny Stiehl an den Wechsel nach Görlitz. Denn diese Entfernung bedeutete ein gewisses Abnabeln von der Heimat, brachte weitere Wege zu Tochter und Sohn. Sein Hauptwohnsitz blieb im Erzgebirge. In Görlitz fand seine Frau Arbeit, beide bezogen eine Nebenwohnung. In der Polizeidirektion traf er auf eine besondere Herausforderung: Ein neues Direktionsgebäude war am Entstehen, verschiedene Dienststellen aus den Kreisen Bautzen und Görlitz waren darin unterzubringen. Stiehl spürte in der Oberlausitz einerseits schnell, wie Grenzkriminalität wirkt, andererseits aber auch, wie sehr in der Bevölkerung die Schere klafft zwischen objektiven Straftaten und subjektivem Empfinden. Der neue Präsident versuchte, vieles unter einen Hut zu bringen: Das Miteinander sollte besser werden, alle rund 1 450 Mitarbeiter sollten an einem Strang ziehen. Präsident Stiehl legte Wert auf eine ergebnisorientierte Arbeit und zugleich auf das Vertrauen der Bürger.

Nach über sechs Jahren Dienst in Ostsachsen zeigt dieses Herangehen Erfolg. Noch nie war die Aufklärungsquote so hoch wie zurzeit mit 60 Prozent. Trotz sinkender Fallzahlen gab es mit 15 226 Tatverdächtigen rund 600 Festnahmen auf frischer Tat sowie Ermittlungserfolge mehr als 2015. Mit solchen Ergebnissen ragt die PD Görlitz positiv aus der polizeilichen Lage Sachsens heraus. „Der Dank dafür gebührt aber nicht allein der Polizei, auch nicht nur der funktionierenden Zusammenarbeit mit polnischen und tschechischen Dienststellen, sondern der Bevölkerung“, betont Conny Stiehl: „Es gibt Jahr für Jahr mehr Bürger, die uns zeitnah informieren und uns Beobachtungen mitteilen. Das ist eine richtig gute Entwicklung.“

Stiehl weiß freilich, dass Kriminalität an sich nicht zu verhindern ist. Immer wieder gab es Brennpunkte in seinen Görlitzer Jahren – im Oberland, in Rothenburg, in Ostritz, in Weinhübel, zuletzt auf dem Bautzener Kornmarkt. Bautzen bleibe sicher noch eine Weile Schwerpunkt. Die Situation dort sei eine andere als im Landkreis Görlitz, wo Probleme im Zusammenhang mit Asylsuchenden nicht diese Größenordnung bekamen. Hier bleibt als Priorität die Bekämpfung der Grenzkriminalität. Dabei weiß Stiehl aus über vier Jahrzehnten Dienst, dass Polizeiarbeit nie so komplex war wie heute, weltweit immer neue Anforderungen erfährt. „Die Polizei muss sich immer wieder neu finden, weil die Schwerpunkte stetig wechseln“, sagt er. Stiehl ist überzeugt, dass das auch sein Nachfolger im Görlitzer Chefsessel, der aus dem Verwaltungsamt kommende Torsten Schultze, so sieht, und dass das auch für Zwickau gilt. „Die dortige PD hat zwar eine andere Struktur als Görlitz, aber die haben auch beachtliche Ermittlungserfolge, das macht mir den Wechsel bissel leichter.“

Der Oberlausitz will er dennoch treu bleiben. „Wir kamen an einem verregneten, trostlosen Tag 2011 hier an – und heute haben wir uns in die Gegend verliebt“, sagt Conny Stiehl. Mehr noch: „Hätten wir kein Haus im Erzgebirge, wären wir nach Görlitz gezogen.“ Jetzt wollen Stiehls ein „Auf Wiedersehen“ wörtlich nehmen, nach sechs Jahren endlich dazu kommen, sich das „Viathea“ anzuschauen, die Entwicklung der Seenlandschaft zu begleiten, auch mal Abstecher nach Wroclaw und Liberec zu pflegen. Dorthin, wo auch der Görlitzer Dienst gute Bekannte hinterlässt. Nur Klaus-Jörg Mehlberg wird Conny Stiehl fehlen. Der tödliche Unfall seines Stellvertreters im März überschattet den Umzug und ist das traurigste Kapitel nicht nur der Görlitzer Jahre des Polizeipräsidenten.

Auch Mehlberg hätte dem Neuen, Torsten Schultze, sicher gesteckt, dass es im eigenen Haus viele gibt, die die Sprachen der Nachbarländer beherrschen. Conny Stiehl sagte ihm nur, er könne es ja mal probieren – und schenkte ihm sein Wörterbuch.