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Poetische Holzschnitte im Technologiezentrum

Olaf Stoy zeigt in Freital Bilder des Meißner Künstlers WEHerbstSilesius. Eine Entdeckung in Schwarz-Weiß.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Thomas Morgenroth

Freital. Ein schwarzer Mann geht kopfüber am Himmel spazieren und fällt dabei nicht runter. Das dumme Schaf unter ihm weicht nicht zur Seite, aber es schließt vorsorglich die Augen, als ob das den Aufprall dämpfen würde. Der Schattenriss in dem großformatigen Holzschnitt gehört dem Meißner Künstler WEHerbstSilesius. Er ist „Der Poet“, ein Lyriker, der Dinge tut, was andere für unsinnig halten, wie eben verkehrt herum die Welt zu erkunden. Aber so bekommt er einen anderen Blick auf das Leben in unserem Universum.

WEHerbstSilesius, mit bürgerlichen Namen Wolfgang E. Herbst, schnitt sein ungewöhnliches Selbstporträt 1993 im Bayerischen Wald in eine Fichtenholztafel. Zu jener Zeit züchtete er dort tatsächlich Schafe. Das symbolträchtige Tier kommt auch in dem Holzschnitt „Halber Engel“ vor, einem Bild, an dem sich, so die Erfahrung des Künstlers, vor allem die weiblichen Geister scheiden. Herbst, dessen halber Engel Gesichtszüge wie ein Schnabeltier hat und nur einen Arm und einen Flügel, wirft provokativ die Frage auf, ob denn die Frauen wirklich Engel sind. „Eigentlich waren es doch Männer“, sagt er, und erinnert an den biblischen Erzengel Michael.

Über das Geschlecht der Götterboten und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen lässt sich trefflich streiten. Am besten gleich vor dem Bild des Künstlers, das im Konferenzbereich des Technologiezentrums Freital zu besichtigen ist. Es ist wie „Der Poet“ Teil einer von Olaf Stoy kuratierten Ausstellung mit rund 20 Holzschnitten von WEHerbstSilesius aus den vergangenen 30 Jahren.

Dem Holzschnitt, einer sehr alten künstlerischen Technik, die heute aber, wie Herbst bedauert, eher ein Nischendasein fristet, widmet er sich gern. „Ich habe immer ein Stück Holz einstecken“, sagt der 82-jährige Künstler. Wie andere auf Papier, zeichnet er auf einem Brett, in jüngster Zeit vor allem auf Birne und Kirschbaum, einem Material, das keine Maserung und keine weichen Teile zwischen den Jahresringen hat. „Da sind sehr feine Strukturen möglich“, sagt er. Mit klassischen Werkzeugen wie Flach- und Hohleisen oder Geißfuß lässt er Derwische tanzen, Ikarus fliegen und der Sonne zu nahe kommen, fährt mit „Deo“ nach Lodz oder er findet das große Eichhörnchen, das alles sieht. 

Herbst, der aus Niederschlesien stammt, ist Schriftsetzer und Bäcker, studierte Gesang und Kunst. Er gründete mehrere Handpressen, zuletzt die Goldgrundpresse in Meißen, wo er seit 2003 lebt und arbeitet. WEHerbstSilesius hat mehr als 70 Bücher veröffentlicht, mit Aufsätzen, Notaten, Gedichten und Bildern.  

Seine Holzschnitte, die jüngsten entstanden erst in diesen Tagen, sind heute kleiner und abstrakter als jene, die zum Beispiel vor drei Jahrzehnten in Düsseldorf entstanden, wo er Freie Grafik studierte. Ein Selbstbildnis aus jener Zeit zeigt einen wilden bärtigen Mann, und das ist er im Grunde heute noch. Vielleicht nicht mehr ganz so wild, dafür radikaler im Denken und bei der künstlerischen Umsetzung, die für ihn Musik ist: „Ich sehe die Holzschnitte nicht, ich höre sie.“ Am Ende, sagt er, gehe es schließlich um Harmonie und Komposition. Und um Poesie, die manchmal kopfüber vom Himmel hängt.

Holzschnitte von WEHerbstSilesius, bis 16.2.18 im Technologiezentrum Freital