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Plötzlich war die Haltestelle weg

An der Meißner Straße ist ein Haltepunkt weggefallen. Eine Anwohnerin möchte deshalb einen neuen an der Gleisschleife.

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© Arvid Müller

Von Nina Schirmer

Radebeul. Mit vier schweren Tüten steigt Christine Harnisch aus der Straßenbahn, die von Dresden kommt. Bis zu ihrem Haus muss die 62-Jährige von der Haltestelle Flemmingstraße noch ein ganzes Stück laufen. Der Weg ins Wohngebiet neben und über dem Weinbergstadion in Radebeul-West ist länger geworden. Das hat mit der neuen Haltestelle vor Schloss Wackerbarth zu tun, die vor gut zwei Wochen in Betrieb gegangen ist.

Dort können Fahrgäste jetzt aus beiden Richtungen direkt vor dem Staatsweingut aussteigen. Vor allem für Touristen ist das praktisch. Vorher mussten sie aus Richtung Dresden kommend schon weit vor dem Weingut aussteigen und noch an der Meißner Straße entlang laufen. Diesen alten Haltepunkt Wackerbarth kurz vor der Einmündung An der Kaiserbrauerei gibt es jetzt nicht mehr. Die Anwohner sind darüber verärgert. Es gebe viele Schulkinder und ältere Leute mit Rollator, die nun deutlich weiter laufen müssen, sagt Christine Harnisch. Dass vor Wackerbarth jetzt alles schick ist, sei ja schön und gut. Aber den Anwohnern deshalb ihre Haltestelle zu nehmen, findet sie nicht in Ordnung.

Doch die Radebeulerin hat eine Idee: Sie möchte gern, dass die Anwohner nicht an der Flemmingstraße aussteigen müssen, sondern mit um die Gleisschleife fahren und dort im hinteren Teil aussteigen dürfen. Aber die Fahrer erlauben das nicht. Auf dem kurzen Stück um die Gleisschleife gebe es keinen Versicherungsschutz, weil das Betriebsgelände und keine offizielle Haltestelle ist, haben sie ihr erklärt. DVB-Sprecher Falk Lösch bestätigt das. „In die Schleife Radebeul-West selbst können Fahrgäste in der Tat wegen fehlender Trittsicherheit und des ungesicherten Bahnbetriebs nicht mitfahren. Das ist Betriebsgelände mit einem Ausweichgleis, über das sich gelegentlich auch Bahnen mit geringem seitlichen Abstand überholen. “

Christine Harnisch gibt trotzdem nicht auf. Dann soll die Gleisschleife eben zu einer offiziellen Haltestelle gemacht werden, findet sie. Vor Ort hat sie sich alles schon ganz genau angesehen. „Dort muss nicht viel verändert werden“, sagt die Radebeulerin. Eine Bank, ein Aschenbecher und sogar ein kleiner Regenunterstand sind schon da – bisher eben nur für die Bahnfahrer, die dort Pause machen. Laufen könnten die Fahrgäste entlang des Stadions bis zu einer Hecke an der Albert-Eyckhout-Straße. Dort gibt‘s einen kleinen Durchgang, zeigt die Anwohnerin. Alles optimal also?

Falk Lösch sieht das anders. Käme die zusätzliche Haltestelle, würden die Bahnen auf einer Distanz von ungefähr 500 Metern gleich dreimal anhalten, sagt er. „Das wäre betriebswirtschaftlich ziemlicher Unsinn. So etwas ist nur in dicht besiedelten Stadtzentren mit sehr hoher Nachfrage angeraten. Beispielsweise mit Haltestellen, an denen täglich ein paar Tausend Fahrgäste ein- oder aussteigen.“ An der alten Wackerbarth-Haltestelle seien aber wochentags nur rund 40 Fahrgäste ein- und ausgestiegen. Eine zusätzliche Haltestelle kostet Fahrzeit, sagt der DVB-Sprecher. „Wie sie wissen, sind wir mit den Fahrzeiten wegen der schlechten Gleiszustände entlang der Meißner Straße und des längst erhofften Ausbaus ohnehin nicht glücklich.“ Möglicherweise müsste durch eine zusätzliche Haltestelle sogar ein weiterer Zug eingesetzt werden. „Dann reden wir schnell mal über 250 000 bis 500 000 Euro zusätzliche Betriebskosten pro Jahr“, so Lösch.

Die Entscheidung liege schlussendlich aber nicht bei den DVB, sondern bei der Stadt Radebeul. Die Verkehrsbetriebe kämen als beauftragte Unternehmen erst später mit ins Boot, sagt Lösch. Der Sprecher weist aber auch darauf hin, dass neue Haltestellen barrierefrei gebaut werden müssen. An der Gleisschleife seien dafür umfangreiche Eingriffe nötig.

Keine guten Aussichten also. Christine Harnisch will ihr Anliegen trotzdem bei der Stadt vorbringen. Auch die SZ hat in der Verwaltung angefragt. Die Beantwortung, was die Stadt von einer neuen Haltestelle hält, steht noch aus.