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Plötzlich kreischten die Sägen

Der Landkreis kappt am Weinberg gesunde Bäume. Anwohner sind empört. Mit Fällungen befasste sich auch der Stadtrat.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Daniela Pfeiffer

Christian Schäfer ist umgezogen. Vom Schlafzimmer, das zur Straßenseite heraus liegt, in ein gegenüberliegendes. Seitdem kann er wieder besser schlafen. Unfreiwillig war sein Umzug, aber er hat es nicht mehr ausgehalten. Dieser Krach, die Autos, die Straßenbahn, die Lkw. Schließlich ist es eine Bundesstraße, auf die auch der Transitverkehr fährt. Christian Schäfers Haus steht in der Sonnenland-Siedlung, kaum 50 Meter vom Weinberg und der B 99 entfernt.

Das hat ihn und seine Frau bislang eigentlich nicht so gestört. Bis vor einigen Wochen die Männer mit den Sägen kamen und Kahlschlag am Hang machten. Wieso, weshalb, warum, das weiß der Rentner bis heute nicht. Die Männer haben ihm seine Fragen nicht beantwortet. Aber seitdem ist alles anders. Nicht nur, dass der Hang wüst aussieht vor lauter herumliegenden Ästen, von denen Christian Schäfer auch viele von seinem Grundstück lesen musste. Nein, vielmehr ist es der Lärm, der seitdem ungefiltert zu seinem Haus herüberschallt. Das Haus, in dem er seit 1990 wohnt und das unterhalb des Hanges eigentlich so idyllisch liegt. Lärm war anfangs auch nicht so das Thema. „Das hat kontinuierlich zugenommen“, sagt Schäfer. Sämtliche Bemühungen um Lärm- und Geruchsschutz waren vergebens. Das sei noch zumutbar, lautete stets die Antwort der Stadt. Jetzt, da die Bäume, die viel Lärm und Geruch filterten, auch noch weg sind, ist es für Familie Schäfer nicht mehr zumutbar, finden sie. Viele in der Sonnenland-Siedlung würden das genauso sehen. „Ich habe immer gesagt, gut, dass die Bäume da sind, was so ein Baum an Sauerstoff spendet und Lärm schluckt, ist schon erstaunlich.“

Warum sie der Säge zum Opfer fielen, kann sich Christian Schäfer nicht erklären. Krank können sie nicht gewesen sein. Zumindest sehen die übrig gebliebenen Stümpfe sehr gesund aus. Waren sie auch, wie einer Stellungnahme des Landratsamtes zu entnehmen ist. Auf SZ-Nachfrage bestätigt Julia Bjar vom Landratsamt, dass 20 Bäume gefällt wurden – und zwar aus Gründen der Verkehrssicherheit, die nicht gegeben gewesen sei. Näher wird das nicht aufgeführt, nur, dass die Fällarbeiten in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Görlitz erfolgt sei. Zumindest eine gute Nachricht gibt es aber für die Bewohner der Sonnenland-Siedlung: Weitere Fällungen seien derzeit nicht geplant und so bleiben wenigstens noch ein paar Bäume am Hang stehen. Warum aber die Anwohner nicht vorher informiert wurden? Das passiere nur, wenn Grundstücke unmittelbar davon betroffen seien. In Christian Schäfers Fall ließe sich sicher darüber streiten. Zumindest hätte er sich sehr gefreut, vorher Bescheid zu wissen.

Wenn die Stadt selbst künftig Bäume fällt, wird sie die Bürger ab sofort vorher darüber informieren und auch begründen, warum die Bäume verschwinden müssen. Das hat der Stadtrat am vergangenen Donnerstag beschlossen und will so für mehr Transparenz bei diesem doch sehr sensiblen Thema sorgen. Denn wann immer in der Stadt Bäume weichen müssen, ist der Aufschrei stets groß und oft auch das Unverständnis darüber.

Allerdings war es ein kleiner Kampf, der da in der Ratssitzung erst ausgefochten werden musste, bevor die Linkspartei ihren Antrag durchbekam. So bemerkte CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg, dass er so einen Beschluss für nicht unbedingt erforderlich halte. Thomas Leder (CDU) kritisierte, dass das zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Verwaltung bedeutete. Octavian Ursu (CDU) empfand den Antrag der Linken gar als „Misstrauensantrag an die Verwaltung“. Allerdings hatte Bürgermeister Michael Wieler vorher vonseiten der Verwaltung grünes Licht gegeben. Das sei kein großer Aufwand für diejenigen, die dafür zuständig sind.

Und es sei ja immerhin eine Form von Transparenz, bekräftigte der Fraktionschef der Linken, Thorsten Ahrens, als Einreicher. Man könne den Menschen doch die Begründung sagen, wenn Bäume gefällt werden müssten. „Das Beste wäre, einmal gewachsenes Grün könnte bleiben und damit auch alle Bäume“, fand Stefan Bley von der Bürgerfraktion und nutzte die Debatte für einen Seitenhieb Richtung Baumschutzsatzung in Sachsen, die er als „sehr unzureichend“ bezeichnete.

Zumindest aber werden die Görlitzer künftig rechtzeitig und ausführlich informiert, wenn neue Fällungen geplant sind. Mittels Listen, Begründungen und wenn vorhanden auch Gutachten, die auf der städtischen Internetseite veröffentlicht werden sollen. Außerdem soll dort bekannt gegeben werden, wo Ersatzbepflanzungen geplant sind. Christian Schäfer nützt das nichts mehr und Baumfällungen des Landkreises würden ohnehin nicht unter diese neue Regelung fallen.