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Plötzlich gefährlich

Seit Oktober gilt Styropor mit Flammenhemmer als giftiger Abfall. Wegen der geänderten Abfallverordnung schlagen Entsorger Alarm.

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© Anne Hübschmann

Von Tom Fischer

Landkreis. Im Recycling Entsorgungsfachbetrieb Brückner Weinböhla läuft das Tagesgeschäft. Alles scheint seinen gewohnten Gang zu gehen. Doch der Schein trügt. Seit dem Inkrafttreten der geänderten Abfallverordnung in der vergangenen Woche sitzt der Entsorgungsbetrieb auf seinem zwischengelagerten Styropor fest. In den Müllverbrennungsanlagen darf nur noch zertifiziertes Styropor angenommen werden. Die Abfälle bestehen aber noch zum großen Teil aus herkömmlichem Styropor. „Als Fachunternehmen können wir keine Lösung anbieten“, fasst Geschäftsführer Sven-Conny Brückner das Problem zusammen. Die bisher zuständigen Müllverbrennungsanlagen haben bereits mit der Zurückweisung von Styroporabfällen gedroht. Eine ausreichende Aufklärung der Unternehmen im Vorfeld blieb aus. „Für uns war es nicht vorhersehbar. Die Post kam rund einen Monat vor dem neuen Gesetz“, erklärt er.

Styropor, auch als Polystyrol bekannt, gilt als ein vielseitig einsetzbarer Werkstoff. Neben den hervorragenden Dämmeigenschaften bietet es empfindlicher Elektronik Schutz vor Erschütterungen und Beschädigungen. Zu den Inhaltsstoffen von Polystyrol zählt das Flammenschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododecan).

Die Entsorgung der Dämmplatten war bisher als Beimenge von Baumischabfällen möglich. Dies ändert sich mit der überarbeiteten Abfallverzeichnisverordnung, welche am 30. September in Kraft trat. Sie legt fest, dass Styropor als Sondermüll entsorgt werden muss. Grund dafür ist der Verdacht, dass der Flammenhemmer HBCD krebserregend ist. Im Rahmen der UN-Chemikalienkonferenz 2013 in Genf wurde ein weltweites Herstellungs- und Anwendungsverbot beschlossen. Um ein Zertifikat zu erhalten, darf der HBCD-Anteil in Styropor 0,1 Prozent nicht mehr übersteigen.

Von Privathaushalten verwendetes Verpackungsstyropor ist von der neuen Regelung ausgeschlossen. Verpackungen aus Styropor können also weiterhin in den gelben Säcken entsorgt werden.

Durch das gute Preis-Leistungs-Verhältnis wird Styropor vor allem im Baugewerbe verwendet. Derzeitig ergeben sich vor allem Probleme bei der fachgerechten Entsorgung von Styropor. Diese darf nur noch in Abfallverbrennungsanlagen stattfinden, die eine entsprechende Zulassung vorweisen können. „Im Moment gibt es keine Entsorgungsmöglichkeit“, erklärt Solveig Schmidt, Sprecherin der Entsorgungsdienste Kreis Mittelsachsen GmbH (EKM). Es mangelt an den benötigten Anlagen. Deshalb gilt in der Branche ein genereller Annahmestopp. „Die Lösung liegt nicht auf unserem Tisch“, ergänzt sie.

Sie liegt in den Händen der Politik. Die untere Abfallbehörde des Landkreises Meißen hat am 8. September die zuständige Landesdirektion Sachsen über diese Situation informiert. Eine Rückinformation liegt noch nicht vor. Wann und wie eine Regelung in die Tat umgesetzt wird, ist derzeitig nicht abzusehen.

Betroffen sind vor allem die Entsorgungsbetriebe. Durch den Mangel an Entsorgungsmöglichkeiten bleibt keine andere Wahl, als das zu entsorgende Styropor zwischenzulagern, bis eine Regelung gefunden ist. Dabei kommt es zu einem weiteren Problem. Die Folgen der Lagerung des gefährlichen Baustoffes sind nicht bekannt. Eine zulässige Höchstmenge an HBCD wurde den Betrieben nicht mitgeteilt. Dadurch werden die Unternehmen und Endkunden einem unnötigen Risiko ausgesetzt. Die Schuld sieht Konrad Brückner in der Bürokratie. Ein unzureichendes Konzept, das den zweiten vor den ersten Schritt stellte, lässt viele Fachbetriebe ohne passende Entsorgungsmöglichkeiten zurück. Ihnen bleibt keine andere Möglichkeit, als die Kunden mit Styroporabfällen zurückzuweisen. Vor allem Bauunternehmen bleiben dadurch auf den Abfällen sitzen. Das Problem tritt auch in anderen Landkreisen vermehrt auf. Die Remondis Elbe-Röder GmbH nahe Großenhain ist ebenfalls betroffen. Ein Sprecher des Unternehmens sagte: „Es ist für uns auch ein großes Problem. In Sachsen wird Styropor derzeit von Abfallverbrennungsanlagen gar nicht entgegengenommen.“ (mit sol)