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Plattenbau als Weg aus der Krise?

Der DDR-Plattenbau hat einen schlechten Ruf. Dabei ist Bauen mit vorgefertigten Teilen weltweit verbreitet. Nun kehrt das „serielle Bauen“ wieder - als Chance zur Behebung des Wohnungsmangels.

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© dpa

Von Carsten Hoefer

München. Den Plattenbau ereilte nach Einschätzung mancher Bürger 1991 das gleiche Schicksal wie die DDR - der verdiente Untergang. Doch verschwunden ist nur der Name. Tatsächlich erlebt das Bauen mit in der Fabrik vorgefertigten Teilen unter neuem Namen eine Renaissance: Die Branche bevorzugt die Begriffe „serielles“ oder „elementiertes Bauen“. Manche sprechen von „Platte 2.0“, was in der Baubranche aber nicht gern gehört wird. Nach Meinung vieler Fachleute bietet das serielle Bauen die einzige Chance, den Wohnungsmangel in Deutschland zu beheben. Auf der Münchner Baustoffmesse „Bau 2017“ (16.-21. Januar) wird das kommende Woche eines der großen Themen sein.

„Ohne eine stärkere Industrialisierung des Wohnungsbaus werden wir die Probleme auf den Wohnungsmärkten nicht lösen“, sagt Heiko Stiepelmann, stellvertretender Geschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. „Für uns heißt das: Forcierung des seriellen Wohnungsbaus.“ Der Anlass dieser Forderung: Notwendig wären nach einer auch von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) verbreiteten Faustformel etwa 400 000 Neubauwohnungen pro Jahr. Doch davon ist Deutschland weit entfernt - 2016 waren es nach einer Schätzung des Münchner ifo-Instituts vielleicht 300 000.

Vorgefertigte Bauteile waren keineswegs eine Spezialität der DDR. Den schlechten Ruf verdanken die sozialistischen Plattenbauten nicht der Bauweise, sondern dem monotonen Charakter vieler Großsiedlungen. Standard in den siebziger und achtziger Jahren waren Gebäude der „Wohnbauserie 70“, die in Berlin-Marzahn und anderen ostdeutschen Städten in vieltausendfacher Ausfertigung errichtet wurden. Aber auch die in Westdeutschland in den sechziger und siebziger Jahre auf der grünen Wiese errichteten Hochhausviertel und ihre sozialen Probleme haben Großsiedlungen in Verruf gebracht.

Heute hält es die Bauindustrie für sinnvoll, wieder einheitliche Haustypen für den Geschosswohnungsbau zu entwickeln: „Statt bedingungslos dem Leitbild der Einzelfertigung zu folgen, sollten künftig stärker Prototypen geplant werden, die dann deutschlandweit in Serie umgesetzt werden können“, sagt Stiepelmann. So ließen sich nach Einschätzung des Bauindustrie-Hauptverbands die Kosten senken.

Kostensenkung ist aber keineswegs das einzige Motiv für die Renaissance des seriellen Bauens. In Zeiten knapper Fachkräfte hilft die Vorfertigung, wie Iouri Gigouline erläutert, Vertriebsleiter beim Baukonzern Max Bögl. Das Oberpfälzer Unternehmen hat industriell produzierte Raummodule entwickelt, die wie in einem Baukastensystem ganz unterschiedlich kombiniert werden können. „Es gibt immer weniger Menschen, die im Freien auf der Baustelle arbeiten wollen“, sagt Gigouline. Ihr Modul biete „den Vorteil, dass wir die Leute in der Halle beschäftigen können“.

Deutschland habe lange das Glück gehabt, dass viele günstige Arbeitskräfte aus dem Ausland zur Verfügung standen, sagt Gigouline. „Doch auch das wird weniger. Bei den Architekten steigt daher die Bereitschaft, auf seriell gefertigte Bauteile zurückzugreifen. Auch Wohnungsbaugesellschaften fragen verstärkt nach.“ Die Vorteile für die Bauherren seien vor allem ein fester Preis und ein fester Termin für die Fertigstellung, „sowie hohe Qualität dank industrieller Fertigung“. Preislich kosteten die Materialien und die Arbeitskräfte in etwa das Gleiche wie bei traditioneller Bauweise. „Die Preisvorteile ergeben sich vor allem aus der Standardisierung der Fertigungsvorgänge und der verkürzten Bauzeit“, sagt Gigouline.

Doch ob Architekten, Baufirmen, Wohnungsgesellschaften oder sonstige Fachleute - fast alle sehen in den Bauvorschriften ein Hindernis. Denn diese sind alles andere als standardisiert. Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung, hinzu kommen die im Laufe der Jahre immer weiter verschärften Anforderungen in der Energieeinsparverordnung oder im Brandschutz.

„Bisher hat sich der serielle Wohnungsbau noch nicht in großem Maß durchgesetzt“, sagt Andreas Winkler, Sprecher des Verbands der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen in Düsseldorf. Eine Idee zur Beschleunigung des Wohnungsbaus wäre die Typengenehmigung - werden mehrere baugleiche Gebäude errichtet, könnte eigentlich auch die Baugenehmigung seriell ausgestellt werden. Doch davon sind die Verwaltungsapparate weit entfernt: „Bisher muss jede Kommune jedes einzelne Haus neu genehmigen“, sagt Winkler. (dpa)