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Plan B: Bäuerin

Trotz eines großen Rückschlags, sagt Cornelia Stelzmann, dass es absolut richtig war, 1990 aus dem Westen herzukommen.

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© C. Hübschmann

Von Udo Lemke

Weitzschen. Es war nicht nur ein Sprung ins kalte Wasser, sondern auch in ein völlig unbekanntes Gewässer: „Wir hatten in der ehemaligen DDR weder Verwandte, noch Bekannte oder Freunde“, sagt Cornelia Stelzmann. Mit ihrem Mann hatte sie zwischen Köln und Düsseldorf einen Landwirtschaftsbetrieb – 50 Hektar Ackerland, 25 Hektar Grünland und 40 Milchkühe. Doch ein Gewerbegebiet und eine Straße rückten immer näher an den Hof. Da kam die Wende genau zur rechten Zeit. Heute bewirtschaftet Cornelia Stelzmanns im Klipphausener Ortsteil Weitzschen ansässiger Landwirtschaftsbetrieb 600 Hektar Ackerland und acht Hektar Grünland, Tiere gibt es nicht mehr.

„Wir sind mit offenen Armen aufgenommen worden, uns wurde das Gefühl vermittelt, dass wir hier richtig sind.“ Für viele Arbeiter in den ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR (LPGs) waren Leute wie die Stelzmanns der Strohhalm, an den sie sich damals geklammert haben, sagt Gerold Mann, Klipphausens Bürgermeister. Er hatte selbst lange in einer solchen LPG gearbeitet: „Die Leute dachten, da kommen welche, die packen an, die gehen das Risiko ein.“ Und auch die Landbesitzer, die ihren Boden in die LPGs hatten einbringen müssen, wollten, dass damit für sie ein Erlös erwirtschaftet wird. „Viele haben uns ihr Land verpachtet“, so Cornelia Stelzmann.

Dass das so war, „schiebt“ sie auf ihren Mann. „Er ist hier aufgeblüht, er ist wunderbar mit den Leuten ausgekommen.“ Sie erinnert sich noch, wie sie 1991 mit den Traktoren aus dem Rheinland hier her gefahren sind. „Wir sind mit den Traktoren und den anderen Maschinen 25 Stunden unterwegs gewesen – für die, die dabei waren, eine unvergessliche Aktion.“

Der Betrieb in und um Weitzschen kam langsam ins Laufen, 1993 folgte dann der Bau des Hauses, die beiden Kinder – der Sohn war zur Wendezeit acht, die Tochter zehn – gingen hier in die Schule. Alles ließ sich gut an. Doch dann der Schock: „Plötzlich, 1996, ist mein Mann gestorben. Da wusste ich nicht, wie ich mich verhalten soll.“ Cornelia Stelzmann stand mit dem Betrieb da. Sie hatte zwar im Rheinland mit in der Wirtschaft geholfen, aber sie war keine ausgebildete Landwirtin.

Viele Freunde ihres Mannes aus der alten Heimat halfen ihr damals, mit dem Betrieb zurecht zu kommen. Und es gab einen starken Impuls, der sie nicht verzweifeln ließ: „Ich konnte doch den Traum, den mein Mann hatte, nicht einfach wegwerfen. Aber das hätte ich getan, wenn ich aufgegeben hätte.“ Natürlich wusste auch Gerold Mann von dem Schicksalsschlag, der die Familie Stelzmann getroffen hatte: „Da habe ich sie bewundert, dass sie das durchgezogen hat.“

Es sprach für das Bewirtschaftungskonzept der Stelzmanns und ihr gutes Verhältnis zu den Landverpächtern, dass damals niemand von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machte und ihnen das Land entzog, „kein einziger Verpächter ist abgesprungen“. Und so konnte aus der berufsfremden Hausfrau mit der Zeit eine Landwirtin werden. Heute hat Cornelia Stelzmann zwei feste Mitarbeiter, „einer ist von Anfang an dabei“, und ihr Sohn hilft im Betrieb nach dem Motto: „Er gibt mir seine Arbeitskraft und ich gebe ihm meine Maschinen.“ Einen Teil des Betriebes hat sie schon an ihn übertragen, und irgendwann soll er ihn ganz übernehmen. „Mein Sohn, das ist auch so ein Bauer, durch und durch, wie mein Mann.“ Und mit ruhiger Bestimmtheit fügt sie hinzu: „Wir haben gute Erträge, unsere Felder sehen ordentlich aus.“

Natürlich sieht auch Cornelia Stelzmann, wie sich die Umwelt ändert. „Die Insekten leben seit Jahrzehnten mit Spritzmitteln, aber seit etwa zwei Jahren werden es plötzlich immer weniger.“ Auch deshalb hat sie in diesem Jahr zwei Mal darauf verzichtet, ihren blühenden Raps zu spritzen. Im kommenden Frühjahr will sie mit Einverständnis des Landbesitzers auf der Baeyerhöhe einen acht Meter breiten Blühstreifen anlegen. Generell müsse sich die Landwirtschaft beim Pflanzenschutz weiter entwickeln, sagt sie.

Und noch etwas anderes macht Cornelia Stelzmann Sorge. Nämlich, dass die Kaufpreise für Ackerland ebenso wie die Pachtpreise teilweise in den letzten Jahren so explodiert sind, „dass ein Landwirt, der nur von der Bodenbewirtschaftung lebt, kaum noch damit um die Runden kommt“.

Das Stelzmann-Haus, der Lindenhof, liegt auf einem Hügel in Weitzschen. Von dort geht der Blick weit über die Felder, die Wiesen und Baumreihen. „Es war absolut richtig, hierherzukommen“, sagt Cornelia Stelzmann.