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Ist Pirnas Altstadt-Räuber gefasst?

Polizisten nehmen am Silvestertag einen Tatverdächtigen fest. Er sitzt in U-Haft. Vieles muss aber noch geklärt werden.

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© Daniel Förster

Von Daniel Förster und Thomas Möckel

Pirna. Wochenlang schon lebten Pirnas Altstadthändler in Angst. Viermal hatte ein bewaffneter Räuber seit Ende August Geschäfte im Zentrum überfallen, die letzten beiden Taten geschahen kurz vor Weihnachten. Viermal entkam der Täter. Pirna verstärkte daraufhin die Nachtstreife, die Polizei schickte zusätzliche Beamte. Nun halfen kurz vor Jahresende Zufall und polizeilicher Instinkt, die unheimliche Serie zu beenden.

Der Mann wurde in Dresden dem Haftrichter vorgeführt.
Der Mann wurde in Dresden dem Haftrichter vorgeführt. © Daniel Förster
Der Tatverdächtige wurde auf der Schuhgasse von Polizisten des Polizeireviers Pirna festgenommen.
Der Tatverdächtige wurde auf der Schuhgasse von Polizisten des Polizeireviers Pirna festgenommen. © Daniel Förster

Am Silvestertag hat die Polizei den mutmaßlichen Serienräuber, der seit einem knappen halben Jahr mehrere Verkäuferinnen mit einer Pistole bedroht und jeweils mehrere Hundert Euro aus den Kassen geraubt hat, dingfest gemacht. Eine Streife des Polizeireviers Pirna, die zu Fuß unterwegs war, stellte den Tatverdächtigen in Begleitung einer Frau in den letzten Stunden des alten Jahres in der Fußgängerzone. Der Treffer gelang den Ermittlern am Sonnabend gegen 10 Uhr vor einer Bäckereifiliale an der Ecke Dohnaische Straße/Schuhgasse. Dort war der Gesuchte den Polizisten über den Weg gelaufen.

Obwohl der mutmaßliche Räuber sich eine graue Mütze bis tief in die Stirn gezogen hatte und eine Brille trug, erkannte ihn ein Polizeihauptmeister als den Gesuchten. Der 40-Jährige sprach den hageren, schlanken Mann an und forderte ihn auf, sich auszuweisen, was dieser auch tat. Dann ging nach Angaben der Ermittler alles ganz schnell. Der Polizist nahm den Tatverdächtigen auf die eine Straßenseite. Seine Kollegin, eine Polizeimeister-Anwärterin, ging mit der Frau auf die andere Straßenseite. Direkt vor dem vergitterten Fenster eines Hauses auf der Schuhgasse gleich neben der Bäckerei klickten kurz darauf die Handschellen. Augenzeugen berichten, der Mann habe sich widerstandslos festnehmen lassen. Seine Begleiterin habe dabei angefangen zu weinen.

Wenig später brausten drei Streifenwagen heran. Als die Polizisten den Tatverdächtigen ins Auto setzten, habe er ein selbstgefälliges Lächeln im Gesicht gehabt, berichtet ein Passant. Auch die Begleiterin des Mannes nahmen die Polizisten mit. Am frühen Nachmittag wurde der mutmaßliche Räuber von Pirna nach Dresden gefahren und dem Haftrichter vorgeführt. Der Jurist ordnete Untersuchungshaft an. Der dem Vernehmen nach gesundheitlich angeschlagene mutmaßliche Räuber sitzt nach einer ärztlichen Untersuchung in der Justizvollzugsanstalt Dresden.

Erhebliches Vorstrafenregister

Die Ermittler sind froh, dass sie höchstwahrscheinlich den Altstadt-Räuber geschnappt haben. Seit dem Überfall am 22. Dezember hatte die Polizei mit Hochdruck nach ihm gefahndet. Bei der Suche nach dem Täter half den Fahndern kurz vor dem Weihnachtsfest ein entscheidender Zeugenhinweis auf das nochmals veröffentlichte Phantombild. Nach SZ-Informationen sollen Zeugen anhand der Zeichnung und den Geschehnissen in den Geschäften den Mann auf dem Foto einer Personalausweis-Kopie wiedererkannt haben – die dieser offenbar zurückgelassen hatte, als er Wohnungen in Pirna anmietete.

Dank der neuen Hinweise gelang es der Kriminalpolizei, den mutmaßlichen Täter, von dem es bis dato lediglich eine Zeichnung samt Beschreibung gab, überhaupt zu identifizieren: Friedhelm L., 69 Jahre alt, ein gebürtiger Nordrhein-Westfale mit einem erheblichen Vorstrafenregister.

Ihn hatte es offenbar erst vor einigen Monaten in die hiesige Region verschlagen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Pirna wurde der Mann, der keinen festen Wohnsitz hat, seit kurz nach Weihnachten per Haftbefehl gesucht – wegen vier schwerer Raubüberfälle auf Geschäfte in der Pirnaer Altstadt. Zwischenzeitlich hatten die Beamten zwei Wohnungen – ebenfalls in der Pirnaer Innenstadt – durchsucht, die der Mann allerdings unter Angabe falscher Personalien gemietet hatte.

„Wir waren ihm seit Ende vergangener Woche dicht auf den Fersen“, so ein Ermittler. Jedoch waren die Wohnungen verlassen und teilweise leergeräumt. Schließlich gelang der Coup auf offener Straße. Das geschah wohl eher zufällig, denn der Polizist hatte sich gerade umgedreht, als er den Verdächtigen erkannte und daraufhin kontrollierte.

Der festgenommene Mann steht in dringendem Verdacht, seit 20. August 2016 vier Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt überfallen zu haben. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen gilt als ziemlich sicher, dass der Festgenommene für den letzten Raub am 22. Dezember im „Mode-Express“ auf der Dohnaischen Straße verantwortlich ist. Zudem sollen auch die Überfälle auf die „Modegalerie Wenzel“ auf der Gartenstraße am 16. Dezember, auf den Feinkostladen „Vom Fass“ auf der Barbiergasse am 16. September sowie auf den Modeladen „Funky Town“auf der Schuhgasse am 20. August 2016 auf das Konto des Mannes gehen, der stets mit einer Pistole bewaffnet war. Laut Polizei werden die Fälle jetzt im Einzelnen ausgearbeitet und detailliert ermittelt.

Überfälle folgten einem Muster

Es liegt jedoch nahe, dass der Tatverdächtige auch die anderen Überfälle begangenen hat. Denn der Täter ging stets nach fast dem gleichen Muster vor: Immer kam er kurz vor Ladenschluss in die Geschäfte. Unmaskiert und zunächst unauffällig ging er auf die Verkäuferinnen zu, zog dann eine Pistole, bedrohte die Frauen, drängte sie in hintere Geschäftsräume oder Umkleidekabinen und fesselte sie mit Kabelbindern, ehe er sich an den Kassen bediente und zu Fuß flüchtete. Und was bei allen Taten auffiel: Der Täter machte auf die Überfallenen keinen besonders gepflegten Eindruck.

Bei seinen Beutezügen erwies sich der Räuber zudem als besonders dreist: Seit dem Überfall auf den Laden „Vom Fass“ hängt sein Phantombild an vielen Altstadtgeschäften, bei zwei Überfällen war zudem eine starke Polizeipräsenz in unmittelbarer Nähe vor Ort.