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Pfeilschnelles Duo

Zwei Sprinter des DSC rennen für Deutschland bei der U-20-EM. Unterschiedlicher könnten die Erwartungen von Jonathan Petzke und Tom Paulsen aber kaum sein.

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© Ronald Bonß

Von Alexander Hiller

An diesem Morgen wirken sie noch nicht so. Aber diese beiden Typen gehören deutschlandweit zu den schnellsten Menschen im U-20-Bereich. Jonathan Petzke sprintete die 100 Meter in dieser Saison in 10,46 Sekunden, Tom Paulsen in 10,65 Sekunden. Dank dieser Leistung gehören die beiden Athleten des Dresdner SC zum Aufgebot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) für die U-20-Europameisterschaft im italienischen Grosseto, die am Donnerstag beginnt.

Dabei waren Petzke und Paulsen zwar in derselben Trainingsgruppe, aber mit völlig unterschiedlichen Erwartungen in die Saison gegangen. Der 19-jährige Petzke gehört in seiner Altersklasse zur europäischen Spitze über 110 Meter Hürden. Das konnte der Schützling von Trainer Stefan Poser in dieser Saison aber nicht beweisen. Auch weil ihm bei der letzten nationalen Qualifikationsmöglichkeit – der DLV-Juniorengala in Mannheim – ein nicht ganz alltägliches Missgeschick unterlief.

Zweite Chance verpasst

Sowohl über seine Spezialdisziplin als auch über die 100 Meter ohne Hindernisse wurde der DSC-Sprinter wegen Fehlstarts disqualifiziert. „Nach der ersten Disqualifikation dachte ich mir: Alles oder gar nichts. Es war dann gar nichts. Das muss auch mal passieren“, sagt Petzke. Heute kann er darüber lachen. Seine Nominierung für einen Einzelstart über die 100 Meter und für die 4x100-m-Staffel stuft er unter „ein bisschen Glück gehabt“ ein. Er geht deshalb mit einem weinenden und einem lachenden Auge in die EM. „Das kann man so sagen, über die Hürden hätte ich größere Chancen auf einen Finaleinzug ausgerechnet. Aber ich habe einen Einzelstart, was cool ist, was sich jeder wünscht. Natürlich ärgere ich mich über die verpasste zweite Chance“.

Für den Tom Paulsen, der aus Steina stammt und bis vor zweieinhalb Jahren noch für den HSV Pulsnitz startete, ist das EM-Ticket ein unverhoffter Segen. Auch wenn er als Ersatzläufer für das Staffelquartett wohl nur einen Einsatz im Vorlauf absolvieren darf. „Ich hatte immer mit Verletzungen zu kämpfen“. Anfang der Saison behinderte ihn eine Zerrung. „Dann wurde es schwer. Nach Mannheim habe ich aber mit einer EM-Nominierung geliebäugelt“. Seine Bestzeit von zuvor 10,82 Sekunden hatte er in 10,65 Sekunden pulverisiert. Seine Aufgabe in Italien, wie auch immer die genau aussieht, will Paulsen professionell erfüllen. „Ich konzentriere mich darauf, zu zeigen, was ich kann – ich will für das Team das Beste geben“, erklärt der 19-Jährige. Der Bundestrainer wird solche Worte gern vernehmen.

Denn die deutschen Sprinter haben verinnerlicht, dass sie als Staffelquartett international nur bestehen können, wenn sie sich als Team verstehen und sich gemeinsam dementsprechend vorbereiten. Vor dem Abflug nach Rom absolvierten die deutschen Sprinter noch einen zweitägigen Staffellehrgang. „Hochwissenschaftlich, mit Lichtschranken, Slow-Motion-Einstellungen – das ist ganz verrückt“, beschreibt Jonathan Petzke. „Aber das hilft einem schon sehr. Vor allem, wenn man das selbst sieht“, ergänzt Paulsen. Staffelsprint ist eben mehr als die Summe von vier Einzelzeiten. „Viele Teams treffen sich einmal davor und verlassen sich halt auf ihr Sprinttalent“, sagte Petzke.

Der Ersatzläufer will genießen

39,87 Sekunden ist das deutsche Nachwuchs-Quartett in diesem Jahr bereits gelaufen. „Ich glaube, damit sind wir in Europa unter den Top drei. Das wäre drin – wenn alles stimmt“, glaubt Petzke.

Für ihn ist es bereits der zweite internationale Höhepunkt – nach der U-18-Weltmeisterschaft in Kolumbien 2015. Dort stieß Petzke über 110 Meter Hürden bis ins Halbfinale vor. Tom Paulsen kann und will sich von seinem Teamkollegen bei seinem internationalen Debüt deshalb vieles abschauen. „Die Erlebnisse zu hören, ist schon bombastisch. Man sollte das Beste aus so einem Highlight machen, es genießen, mitnehmen, Erfahrungen sammeln“, erklärt er. Seine Rolle als Ersatzmann sei genau richtig. „Ich mache ja noch nicht so lange Leistungssport auf dem Niveau“, sagt Tom Paulsen. Beim HSV Pulsnitz reichte es für vier Einheiten pro Woche, jetzt sind es locker doppelt so viele. Bei einem Abendsportfest vor zweieinhalb Jahren wurde der Steinaer von Trainer Stefan Poser angesprochen. Es folgte ein halbes Jahr auf Probe. „Ich musste nicht wirklich lange überlegen. In der Trainingsgruppe hat es auch ziemlich viel Spaß gemacht“, sagt Paulsen und zwinkert Petzke zu.