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Pfarrer Stempel zieht es nach Dresden

Am Sonntag wird der Zittauer Kirchenmann verabschiedet. Auch Fußballer sind dabei.

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Von Jan Lange

Durchaus stolz blickt sich Christoph Stempel in der Johanniskirche um. Es sei ein wunderbarer Kirchenraum, findet der evangelische Pfarrer. Die Gemeinde wird ihren Seelsorger hier am Sonntag beim Erntedank-Gottesdienst feierlich verabschieden – nach elf Dienstjahren. „Thematisch passt das gut, da ich auf viele Jahre des Dienstes mit Dank zurückblicke“, sagt der 63-Jährige.

Der in Kesselsdorf bei Dresden geborene Pfarrer war vor seiner Zeit in Zittau 27 Jahre in Ebersbach bei Radeburg tätig. Zur Verabschiedung am Sonntag werden auch Mitglieder seiner ehemaligen Gemeinde kommen, sagt Stempel. Darunter auch Fußballer. Denn er habe während seiner Ebersbacher Jahre immer das runde Leder gekickt, berichtet Stempel weiter. Mit erst 25 Jahren hatte er 1978 die Leitung der gut zwölf Kilometer von Großenhain entfernten Kirchgemeinde übernommen. „Ich sah aus wie 16“, erinnert sich Stempel. Um sich von den Konfirmanden zu unterscheiden, ließ er sich ein Bärtchen wachsen, erzählt der scheidende Pfarrer.

Auch in Zittau habe ihn der Unterricht der Konfirmanden bis zuletzt Spaß gemacht, so Stempel. Es war ihm wichtig, ein gutes Verhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen. Zu einigen Gemeindemitgliedern ist ihm das bis zuletzt wahrscheinlich nicht gelungen. Als er 2005 nach Zittau kam, habe er zuerst Streits schlichten müssen, weil sich verschiedene Teile der Gemeinde nicht grün waren. Dabei habe er sich zwischen alle Stühle gesetzt, meint Stempel rückblickend. Die Situation verunsicherte und irritierte ihn. Er habe dies aus Ebersbach so nicht gekannt. Beide Gemeinden sind aber auch sehr verschieden, findet Stempel. Während Ebersbach landwirtschaftlich geprägt und homogene Gemeinde war, sei Zittau eine vielfältige, manchmal polarisierende Stadtgemeinde, beschreibt er die Unterschiede. In Ebersbach habe er bis zu zwölf Trauungen im Jahr vorgenommen, in Zittau eine oder zwei. Auch die Zahl der Taufen war in der früheren Gemeinde vier- bis fünfmal so hoch wie hier.

Ganz unbekannt war ihm die Zittauer Gemeinde bei seinem Amtsantritt nicht. Schon in den 1960er Jahren verbrachte er seine Jugend in der Stadt. Sein Vater Wolfgang war damals als Superintendent nach Zittau berufen worden. Die Gemeinde habe sich seit damals aber stark verändert, meint Stempel. Dass er überhaupt nach so langer Zeit Ebersbach gegen die Oberlausitz eingetauscht hat, verdankt er auch seinem Bruder Bernhard, der ebenfalls Pfarrer war. Damals in der Kirchgemeinde Oderwitz tätig, empfahl Bernhard Stempel seinem Bruder Zittau, wo seinerzeit kein Seelsorger im Dienst war. Und so kam es zum Wechsel an die Mandau. „Es war schon früher mal, Anfang der 1990er und im Jahr 2000 vorgesehen, dass ich eine andere Gemeinde übernehme, aber das hat sich zerschlagen“, erzählt Christoph Stempel. Mit Zittau war dann der dritte Anlauf erfolgreich. Während er in Ebersbach innerhalb von 20 Jahren alle Gebäude erneuert habe, gab es damals in Zittau einen Sanierungsstau. „An allen Kirchen musste gebaut werden“, sagt Stempel. Als Initiator vieler Bauvorhaben wird er den Zittauern auch nach seinem Weggang in Erinnerung bleiben. Zuerst wurde Turm und Dach der Klosterkirche – hier feierte Stempel seine eigene Konfirmation – saniert, danach die Weberkirche. Die Apostelkirche wäre beinahe dem Hochwasser 2010 zum Opfer gefallen. Aber durch Stempels Einsatz konnte sie der Gemeinde erhalten bleiben. Und nicht zuletzt war es die Innenrenovierung und Orgelsanierung der Johanniskirche. Die Arbeiten an der Johanniskirche bezeichnet Pfarrer Stempel als ein Ergebnis des Engagements der Generationen. Der Freundeskreis Johanniskirche hatte sich gemeinsam mit den jungen Landes- und Bundespolitikern der Region dafür stark gemacht, dass die notwendigen Fördermittel zur Verfügung gestellt werden. „Es war eine schöne Erfahrung“, findet der 63-Jährige.

Weniger trifft das auf die Meinungsverschiedenheiten zu, die innerhalb der Kirchgemeinde auftraten. Die müsse es geben, meint Stempel. Allerdings sollten sie fair ausgetragen werden. Man müsse Fehler und Schwächen der anderen auch akzeptieren. Keiner ist perfekt, findet Stempel. Und schließt sich dabei selber mit ein.

Schon im Mai ist er mit seiner Frau nach Dresden umgezogen, wo künftig der Lebensmittelpunkt sein wird. Im Dresdner Raum lebe der Großteil der Familie und seine Frau sei zudem waschechte Dresdnerin, begründet Stempel die Verlagerung seines Wohnsitzes. „Gegenüber unserem Haus liegt eine Kleingartenanlage, in der wir zwei Parzellen haben. Da gibt es erstmal genug zu tun“, sagt der Kirchenmann über seine Zukunftspläne. Er brauche was Grünes um sich, so ist er groß geworden, erzählt er. In seiner Kindheit sei er oft in der Gärtnerei des Onkels gewesen. Vielleicht wäre er selbst einmal Gärtner geworden. Doch die Kollektivierung der Landwirtschaft beendete diese Überlegungen. Vielmehr ist Christoph Stempel wie seine beiden Brüder Pfarrer geworden.

Viel zu tun hat künftig auch Pfarrer Ansgar Schmidt, der bereits vorigen Freitag die Pfarramtsleitung von Christoph Stempel übernommen hat. Denn die frei werdende Pfarrstelle wird nun auf 50 Prozent reduziert. Ab 2016 war diese Einsparung geplant, doch erst mit der jetzigen Vakanz wird sie auch umgesetzt. Christoph Stempel kann sich noch an frühere Zeiten erinnern, als es in Zittau vier Pfarrstellen einschließlich des Superintendenten gab. Künftig sind es nur noch eineinhalb.