SZ +
Merken

Pfarrer in Reichweite

Am Sonntag werden Frank Seifert und seine Frau in einem Gottesdienst verabschiedet. 20 Jahre haben beide in der Kirchgemeinde gearbeitet.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Sven Görner

Umzugskisten müssen Monika und Frank Seifert nicht mehr packen. Das Ehepaar, das in den vergangenen 20 Jahren im Radeburger Pfarrhaus gewohnt hat, ist bereits im April aus der Dienstwohnung in der ersten Etage ausgezogen. Sie wird gerade für Frank Seiferts Nachfolger renoviert. Seitdem wohnen die beiden in Radebeul, dem Geburtsort des Pfarrers. Dort sind sie in das einstige elterliche Haus gezogen.

„Wir Pfarrer sind wohl die Letzten, für die noch eine Residenzpflicht gilt. Früher wohnten ja auch Schulleiter, Förster, Hausärzte und selbst Bürgermeister dort, wo sie arbeiteten“, erzählt Frank Seifert. Aufgehoben wird diese Pflicht ein Jahr vor dem Ausscheiden aus dem Amt. Für den 63-jährigen Radeburger Pfarrer ist der 31. August sein letzter Arbeitstag. Seine Frau hat ihre Arbeit als Gemeindepädagogin bereits vor einem Monat beendet. Am Sonntag werden beide in einem Gottesdienst mit dem Superintendenten Andreas Strempel verabschiedet.

20 Dienstjahre in einer Gemeinde sind für Pfarrer eine lange Zeit. „Auch wenn es mein Vorgänger sogar auf 34 gebracht hatte“, sagt Frank Seifert schmunzelnd. Normalerweise werde nach zehn, zwölf Jahren ein Wechsel angestrebt. Seifert selbst war so zuerst sechs Jahre in Neustadt/Sachsen und danach zehn Jahre in Pobershau im Erzgebirge. „Ich bin sehr froh, dass wir in Radeburg bleiben konnten. Wir kennen die Leute hier sehr gut, denn bei solch einer langen Zeit lässt sich natürlich ein größeres Vertrauensverhältnis aufbauen.“

Dass sich Frank Seifert seinerzeit um die Radeburger Stelle bewarb, hatte mehrere Gründe: „Zum einen war meine Mutter da in einem Alter, wo es gut war, wieder in ihrer Nähe zu sein. Und zum anderen haben meine Vorfahren über Jahrhunderte in der Stadt gewohnt.“ In den alten Kirchenbüchern habe er ihre Spuren bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen können. Sie waren Töpfer. Und noch etwas zog die Seiferts vor 20 Jahren wieder in eine Kleinstadt: „Hier gibt es noch ein soziales Gefüge, wo man die Schwachen sieht und reagieren kann, um ihnen zu helfen.“

Ein Herz für die zu haben, die allein nicht klar kommen und Hilfe brauchen, ist Frank Seifert schon immer ein besonderes Anliegen. So war er in den vergangenen Jahren auch Mitglied im Verwaltungsrat der Diakonie Großenhain. Dass deren Tafel auch regelmäßig Bedürftige in Radeburg versorgt, ist ihm wichtig. Wenn mitten in der Nacht Tramper von der nahen Autobahn bei ihm am Pfarrhaus klingelten, fanden sie dort auch ein Quartier.

Die Radeburger Kirchgemeinde mit ihren knapp 1 100 Mitgliedern ist ein fester Teil des Lebens in der Stadt. Das liegt sicher weniger daran, dass die Türen des Gotteshauses seit ein paar Jahren täglich offen stehen. Berührungsängste werden vielmehr dadurch abgebaut, dass sich die Gemeinde einbringt und öffnet. Ob nun beim Weihnachtsmarkt oder beim Vogelscheuchenfest, als es das noch gab. Und das gemeinsame Frühlingsliedersingen des Kirchenchors mit dem Chor des Kultur- und Heimatvereins möcht wohl auch keiner mehr missen. Frank Seiferts Aufgabe als Pfarrer war es aber nicht nur, sich um die Menschen seiner Gemeinde zu kümmern. Auch die umfangreiche Sanierung der Kirche musste gemeistert werden. Zwar wird die Fassade in den nächsten Wochen fertig, trotzdem muss auch sein Nachfolger noch Bauherren-Aufgaben übernehmen. „Übernächstes Jahr soll es mit der Innensanierung weitergehen“, sagt Frank Seifert. Dem neuen Pfarrer, der voraussichtlich im Oktober/November in Radeburg beginnt, wünscht er dafür viel Erfolg. „

Der 63-Jährige freut sich, jetzt mehr Zeit für die Enkel zu haben. „Und auf die Arbeit im Garten. Denn als gelernter Tischler bin ich ja eigentlich ein Handarbeiter.“ Ganz ins Private wird er sich dennoch nicht zurückziehen. Denn Pfarrer ist man auf Lebenszeit. „Ich übersetze Pfarrer i. R. immer mit Pfarrer in Reichweite.“ Und so wird Frank Seifert weiter Gottesdienste halten und das vermutlich nicht nur in Radeburg oder der Schwesternkirche Rödern.