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Personalnot im Knast

Die JVA Zeithain ist seit Monaten voll belegt, während es immer weniger Mitarbeiter gibt. Therapie-Angebote werden trotzdem nicht abgebaut.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Zeithain. Die JVA Zeithain ist rappelvoll. Selbst jetzt im Januar, dem traditionell belegungsschwächsten Monat des Jahres, sind mehr als 95 Prozent der 395 Haftplätze belegt, sagt Anstaltsleiter Oliver Schmidt. Ab 90 Prozent gilt ein Gefängnis allerdings bereits als voll. Und der Anstaltsleiter prognostiziert in Richtung Sommer weiter steigende Zahlen – bei anhaltender Personalnot.

„Die Situation ist schwierig“, sagt Oliver Schmidt, „ich bin sehr stolz auf die Mitarbeiter, dass sie trotzdem motiviert sind und rackern wie die Ochsen.“ 159 Mitarbeiter im Vollzug, in der Verwaltung sowie im psychologischen und therapeutischen Dienst sind aktuell in der JVA tätig. Dazu kommen 16 Anwärter für den Vollzugsdienst, die sich in Ausbildung befinden. Der Personalschlüssel liege damit bei 0,34, rechnet die Verwaltungsleiterin in Zeithain, Anja Stephan, vor. Das heißt, 34 Mitarbeiter kommen auf 100 Häftlinge. Vor zwei Jahren waren es noch 38. Als Maßstab für eine angemessene Personalausstattung wird in Sachsen vom Justizministerium grundsätzlich aber ein Personalschlüssel von 0,46 Stellen je Haftplatz zugrunde gelegt.

In Zeithain wäre man allerdings schon froh, wenn die entstandenen Lücken durch Ruhestand, Wegzug und Versetzung wieder vollständig gestopft werden würden. 2017 verließen gleich sechs Mitarbeiter das Gefängnis – und nicht alle Stellen konnten bislang nachbesetzt werden. In diesem Jahr werden es voraussichtlich ein bis zwei Mitarbeiter sein, die die JVA verlassen werden, schätzt Oliver Schmidt. Auch von den fünf Auszubildenden, die im Januar fertig geworden sind, blieb kein einziger in Zeithain. „Woanders gab es mehr Altersabgänge, sie wurden in andere JVAs verwiesen“, erklärt Anja Stephan. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, sei deshalb viel Flexibilität und Engagement der Mitarbeiter gefragt. Die Kollegialität sei in Zeithain aber glücklicherweise sehr hoch, sagt Oliver Schmidt. Allerdings auch die Überstundenbelastung.

Mehr als 7 000 Überstunden hätten sich aktuell bereits angesammelt. Und das fordere seinen Tribut. Die Krankentage steigen. Statistisch gesehen gibt es in der Belegschaft derzeit zehn Langzeitkranke, und jeder Mitarbeiter ist im Durchschnitt 33 Tage pro Jahr krank. Vor zwei Jahren waren es 30 Tage. Trotzdem versuche man in der JVA, alle Angebote für die Gefangenen aufrecht zu erhalten. Den Aufschluss zu reduzieren oder Hofgänge zu streichen sei eines der letzten Mittel. „Das ist relativ selten passiert“, so der JVA-Chef mit Blick auf die vergangenen Monate. Denn das fördere den Unmut unter den Gefangenen und verursache neue Probleme. Auch wolle man die vielfältigen Angebote – von der Garten- bis zur Suchttherapie – aufrecht erhalten. Denn das sei viel mehr als eine Bespaßung der Gefangenen. „Die Behandlungen dienen vor allem der Sicherheit. Auch gegenüber den Bürgern da draußen“, betont der Anstaltschef. Denn mit den Angeboten werde vor allem auch das Kriminalitätsrisiko der Häftlinge gesenkt. „Und eines ist ja klar, die Häftlinge von heute sind morgen wieder unsere Nachbarn.“

In Sachsen wurde vom Justizministerium in diesen Wochen bereits eine Bedarfsanalyse zum Thema Personal im Vollzug gestartet und stehen auch die Haushaltsdebatten an. Der Landtagsabgeordnete Harald Baumann-Hasske (SPD), der am Donnerstag im Rahmen seiner „Gefängnistour“ zum zweiten Mal Zeithain besuchte, warnte jedoch vor zu viel Optimismus. Das eine sei, mehr Personal für die Justiz im Haushalt einzustellen. Das andere, neues Personal zu finden. „Die Ausbildungskapazitäten sind in Sachsen momentan erschöpft“, so Baumann-Hasske. Deshalb müsse man auch über andere Wege der Personalgewinnung nachdenken. Oliver Schmidt hat indes bereits konkrete Vorstellungen: „Wenn wir uns was wünschen dürften, wären es mehr Kollegen. Zehn plus X. Das X darf da gern größer ausfallen.“