Merken

Personalnot im Gotteshaus

Dem Kirchspiel Kreischa-Seifersdorf gehen die Pfarrer aus. Die einzig verbliebene Pastorin kritisiert die Landeskirche.

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse, Verena Schulenburg und Carina Brestrich

Kreischa. Gen Himmel ragt der Kirchturm. So, als wolle er nach Gottes Hilfe greifen. Diese könnten die Possendorfer derzeit auch gut gebrauchen. Noch immer sind die rund 850 Gläubigen in dem Bannewitzer Ortsteil ohne Pfarrer. Christfried Luckner ist wegen einer schweren Erkrankung seit mehreren Monaten außer Dienst.

Seitdem helfen Pfarrer im Ruhestand in Possendorf aus, halten Gottesdienste oder kümmern sich um Beerdigungen. „Es funktioniert“, resümiert Michael Paust die Situation. Zum Glück gebe es viele, die ehrenamtlich aushelfen, sagt der Vorsitzende der Possendorfer Kirchgemeinde. Man wolle die Kirche im Ort lassen und auch weiterhin anbieten. Zufrieden ist Michael Paust dennoch nicht. Die Seelsorge komme eindeutig zu kurz, „ganz klar, wenn man niemanden hauptamtlich vor Ort hat“, sagt er.

Was die Pfarrersstelle anbelangt, ist man in Possendorf bereits krisenerprobt. Schon Pfarrer Andreas Kreß schied plötzlich wegen Krankheit aus. Lange war die Stelle vakant, bevor Christfried Luckner 2013 kam. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass Luckner wieder hier predigt. Er selbst schreibt auf der Internetseite des evangelisch-lutherischen Kirchspiels Kreischa-Seifersdorf, zu dem auch Possendorf gehört, dass ihm die Arbeit zwar immer Freude bereitet habe. „Dennoch werde ich den Dienst nicht mehr aufnehmen können, da es meine Gesundheit nicht mehr hergibt.“ Zurzeit ist er zur Kur. Da er aktuell krank gemeldet ist, ist auch die Pfarrersstelle theoretisch „besetzt“ beziehungsweise kann nicht neu besetzt werden. Wie es in Possendorf weitergeht, ist unklar.

Ohne Pfarrer sind derzeit auch die Kreischaer. Nach zehn Jahren im Kirchspiel ist Konrad Adolph vor Kurzem nach Großenhain gezogen. Ein Wechsel, wie er für Pfarrer üblich ist. Zum Jahresende hielt Adolph in Kreischa seine letzte Predigt. Von drei Pfarrstellen im Kirchspiel ist somit nur noch eine besetzt – die in Oelsa. Die Aufgaben im Kirchspiel, wie Gottesdienste abhalten, Veranstaltungen organisieren, Verwaltungsarbeit erledigen, ruhen nun auf den Schultern von Pfarrerin Annette Kalettka.

Freie Stellen seien normal

Sie ist über die aktuelle Situation auch nicht glücklich: „Es bleibt einiges auf der Strecke“, sagt sie. Haus- und Krankenbesuche beispielsweise – eine wichtige seelsorgerische Aufgabe – seien kaum möglich. Sie versuche wenigstens, hohe Geburtstage wahrzunehmen und Menschen in Kranken- und Krisensituationen zu begleiten. „Aber selbst das geht kaum noch.“

Immerhin könnte sich die Situation bald entspannen. Nach Kreischa ist Markus Manzer abgeordnet, der vertretungsweise übernimmt, bis voraussichtlich im Sommer ein neuer Pfarrer kommt. Doch Markus Manzer muss auch die Seelsorge in Glashütte abdecken – dort ist der Posten im Pfarrhaus ebenfalls unbesetzt. Damit die Personalnot im Kirchspiel Kreischa-Seifersdorf nicht weiter zur Belastung wird, soll ab Februar eine weitere Aushilfe kommen, mit prominentem Namen: Pfarrerin Maria Rentzing wird bis zum Sommer als Halbtagskraft im Kirchspiel tätig sein. Sie ist die Ehefrau des sächsischen Landesbischofs.

Bis dahin sind es vor allem ehrenamtliche Helfer, die das Kirchspiel personell unterstützen. „Wir haben mehrere Pfarrer im Ruhestand angerufen, die die Gottesdienste übernehmen. Das klappt ganz gut, die älteren Kollegen machen das gerne“, berichtet Annette Kalettka. Trotzdem müsse man sich bei der Landeskirche grundlegend Gedanken über die Personalsituation machen, fordert Kalettka. „Es wurden zu viele Stellen gestrichen.“ Dass Pfarrer krank werden, den Arbeitsplatz wechseln, Urlaub machen oder in Elternzeit gehen, sei überhaupt nicht mehr einkalkuliert.

In der Superintendentur Freiberg, die den gesamten Kirchenbezirk verwaltet, sieht man das gelassen. „Dass Stellen frei sind, ist doch ganz normal“, sagt Superintendent Christoph Noth. Denn Pfarrer sind angehalten, cirka alle zehn Jahre die Pfarrei zu wechseln. Deshalb brauche es eine gewisse Anzahl offener Stellen als Puffer, heißt es aus der Kirchenverwaltung.

Speziell in Kreischa könne man nicht von einer unbesetzten Pfarrei sprechen. Die Stelle wurde ausgeschrieben, als bekannt wurde, dass Konrad Adolph nach Großenhain wechselt. Am vierten Advent stellte sich Martin Beyer in einem Gottesdienst der Gemeinde vor und wurde vom Kirchenvorstand gewählt. Doch Beyer ist noch bis zum Sommer Pfarrer in Olbernhau. Für die Kirchenverwaltung ein überschaubarer Zeitraum. „Manche Pfarrstellen sind zwei Jahre oder länger unbesetzt“, sagt Christoph Noth. Das betreffe vor allem kleine Randgemeinden oder von Großstädten weit entfernte Gebiete.