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Personalnot im Gefängnis

Viele Bedienstete der sächsischen Haftanstalten gehen demnächst in Rente. Nun soll mehr ausgebildet werden.

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© Thomas Kretschel

Von Ralf Hübner

Der Dresdner Justizvollzugsanstalt auf dem Hammerweg könnten bald die Vollzugsbeamten knapp werden. „Allein um den jetzigen Stand zu stabilisieren, brauchen wir jährlich zehn neue Bedienstete“, sagte der Chef des Personalrates, Bodo Schmidt. Bis jetzt seien es etwa fünf. Vor allem nach 2020 könne sich die Situation weiter zuspitzen, wenn viele der jetzt 213 Kollegen aus Altersgründen den Dienst quittieren und sich in den Ruhestand verabschieden.

Seit dem Jahr 2000, als die moderne Anstalt in Betrieb ging, ist deren Durchschnittsalter von 34,7 Jahren auf jetzt rund 47 Jahre gestiegen. Um das Problem zu lösen, sollen mehr Bedienstete ausgebildet werden. Aktuell durchlaufen 22 Anwärter in der Dresdner Anstalt die zweijährige Ausbildung – das sind mehr Auszubildende als früher, wie es hieß. Allerdings sollen die neuen Kollegen, wenn sie mit der Ausbildung fertig sind, auf die zehn Vollzugsanstalten des Landes verteilt werden. Schmidt glaubt nicht, dass die stärkeren Anstrengungen bei der Ausbildung schon ausreichend sind.

Personalratschef Schmidt spricht von einer „angespannten Stimmung“ unter den Bediensteten, denen die hohe Arbeitsbelastung zu schaffen mache. Der Krankenstand bewege sich stets zwischen 30 bis 40 Mitarbeitern. „Normal sind vielleicht 18 bis 20.“ Anstaltsleiter Jörn Goeckenjan zufolge ist die Mitarbeiterzahl mit 379 insgesamt im vergangenen Jahr zwar leicht gestiegen. Der Zuwachs betrifft jedoch vor allem Berufe wie Psychologen und Kunsttherapeuten. Ein Arzt werde noch gebraucht. Aktuell gibt es in der Anstalt nur einen Mediziner. Das sei zu wenig, schon weil viele Gefangenen drogenabhängig sind, sagt der Anstaltsleiter.

Als einen Grund für die hohe Belastung der Bediensteten nennt Goeckenjan unter anderem den relativ liberalen Strafvollzug in Sachsen. So gebe es unter anderem keine videoüberwachten Hafträume für als suizidgefährdet eingeschätzte Häftlinge. In solchen Fällen würden sogenannte Sitzwachen eingerichtet, bei denen ein Beamter den Inhaftierten über ein Sichtfenster im Blick behalte. In der Dresdner Anstalt gibt es gerade zwei solcher Fälle.

Was das Problem der Personalnot zusätzlich erschwert, ist die hohe Belegung in den sächsischen Gefängnissen. „Wir sind voll belegt“, sagt der noch neue Anstaltsleiter Jörn Goeckenjan. Mit 805 Haftplätzen ist die Dresdner Vollzugsanstalt die größte in Sachsen. Aktuell leben dort rund 780 Gefangene – vom Untersuchungsgefangenen bis zum Schwerverbrecher. Das ist der höchste Stand seit 2014 und entspricht etwa 97 Prozent der Kapazität. Damals saßen im August 815 Gefangene ein, in den vergangenen zwei Jahren waren es im Schnitt je 720. Bei einer Belegung von 90 Prozent gilt eine Haftanstalt als voll.

Etwa jeder dritte Häftling derzeit ist ausländischer Herkunft. Mit 49 Gefangenen kommen die meisten von ihnen aus Tunesien, gefolgt von 30 Tschechen und 27 Libyern. Insgesamt leben Menschen aus 43 Nationalitäten in der Dresdner Anstalt.

Die Dresdner sind nicht allein mit der Platznot. Fast alle zehn Gefängnisse in Sachsen sind derzeit voll belegt. Ende Juni waren neun von ihnen zu mehr als 90 Prozent ausgelastet. Das geht aus der Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) auf eine Anfrage des Dresdner Landtagsabgeordneten André Schollbach (Linke) hervor. Vier Gefängnisse waren zum 30. Juni sogar zu mehr als 100 Prozent belegt. Spitzenreiter Chemnitz kam auf 106 Prozent, gefolgt von der JVA Görlitz mit 105 Prozent, Zeithain und Zwickau. Eine Belegung von mehr als 90 Prozent verzeichneten die JVAs in Dresden, Torgau, Bautzen, Waldheim und Leipzig. In vollen Gefängnissen müssen sich Häftlinge eine Zelle teilen.

Entlastung sollte eigentlich die neue JVA in Zwickau-Marienthal bringen, die Sachsen gemeinsam mit Thüringen baut. Sie soll aber erst 2020 eröffnen. Zudem sollen dann die alten Gefängnisse in Zwickau und Zeithain dichtgemacht werden. Schollbach nennt es „untragbar“, dauervolle Gefängnisse mit zu wenig und ständig überlastetem Personal zu betreiben.