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Perfektes Rezept für einen Hit

Mit Gesang lockte die Bautzenerin Christel Ulbrich ihre Kinder vor knapp 70 Jahren zum Plätzchenbacken. Es entstanden: Pfefferkuchen und der DDR-Weihnachtslied-Klassiker „Oh, es riecht gut“.

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© dpa

Miriam Schönbach

Bautzen. Zum Plätzchenbacken in der Adventszeit gehört Weihnachtsmusik. Während im Westen Deutschlands zu Zimt- und Vanilleduft Rolf Zuckowskis „In der Weihnachtsbäckerei“ gesummt wird, klingt es im Osten des Landes nach „Oh, es riecht gut“. Die Melodie und den Text haben dann fast alle parat. Die wenigsten aber wissen, dass die Bautzenerin Christel Ulbrich (1908-1996) die Weise verfasste. Besser bekannt ist sie als Tanzpädagogin und Puppenspielerin. Ihrem Schaffen widmet sich im Februar 2017 eine Veranstaltung beim 1. Oberlausitzer Kindermusikfestival.

Erika Suschke blättert in einem Fotoalbum. Immer wieder ist auf den Bildern eine tanzende Frau zu sehen. Sie trägt einen langen Rock und einen praktischen Kurzhaarschnitt. Zuweilen hat sie auf den Aufnahmen auch ihre Puppen dabei. „Christel hat die Musik leben und erleben lassen“, sagt die Bautzenerin. Die pensionierte Sonderschulpädagogin lernte das Multitalent Mitte der 1970er Jahre kennen, als sie ihren Sohn zur musischen Früherziehung brachte. Auch das war so eine Idee der „Tanzchristel“, wie Freunde sie nannten. Viele Erzieher der DDR haben bei ihr gelernt, wie Kinder spielerisch an Musik und Bewegung herangeführt werden können.

Eine Institution

Bei der Begegnung mit Erika Suschke war Christel Ulbrich bereits eine Institution. Die gebürtige Tharandterin kam 1928 als Absolventin des Sozialpädagogischen Frauenseminars in Leipzig in die Spreestadt. Diese Ausbildung war für sie prägend, denn dort kommt sie mit den Ideen Emile Jacques Dalcrozes‘ in Berührung. Der Schweizer Musikpädagoge und Komponist zog 1911 in die Gartenstadt Hellerau bei Dresden, um sein eigenes Arbeitszentrum zu errichten. Er wollte Musik in der Bewegung erlebbar machen und die Sinne für das Aufnehmen der Musik sensibilisieren.

Das Gefühl für Musik, Bewegung, Rhythmik begeisterte die junge Frau. Diesen Schatz, ihr Temperament und viel Ideenreichtum brachte sie in den privaten Kindergarten in der Bautzener Neustadt mit. Nachdem die Einrichtung bald aus allen Nähten platzte, landete sie bei der bekannten Bautzener Unternehmerfamilie Weigang. „Die Herren hatten mir gleich den Schlüssel für die im Volksmund genannte ,Elefantenvilla‘ überreicht“, schrieb Ulbrich in ihren Erinnerungen.

Mit Gesang in die Küche gelockt

In dieser Zeit erklang wahrscheinlich noch nicht das Lied „Oh es riecht gut“. Erst nach dem Krieg lockte die dreifache Mutter ihre Kinder mit Gesang in die Küche zum Plätzchen backen, erinnert sich Tochter Almut Jungnickel. Die 75-Jährige wohnt in Potsdam. 1950 verbrachte sie ihr erstes Weihnachtfest wieder in Bautzen. Davor lebte sie bei einer Pflegefamilie. Ihr Vater - Walter Ulbrich war ein bekannter Maler - kehrte in diesem Winter aus der Kriegsgefangenschaft zurück. „Meine Mutter stand in der kalten Backstube und begann zu reimen. Wir Kinder haben alle mitgemacht. So sind wir ein Teil des bekannten Weihnachtsliedes“, sagt sie.

Und das Lied lädt regelrecht zum Mitmachen ein, zum Mandeln knacken, Butter, Zucker glattrühren und Eier in den Topf schlagen - wie es darin heißt. „Wir haben Stollen und Pfefferkuchen gebacken. Die Lebkuchen haben wir mit Pappe auf der Rückseite verstärkt. Sie kamen an den Weihnachtsbaum, der bis zur Decke reichte“, erinnert sich Jungnickel. Mit ihren Kindern und Enkeln hat sie gern das Mitmachlied in der Vorweihnachtszeit gesungen. „Es ist eine schöne Erinnerung an die Mutter.“

In der Kinderzeitschrift „Fröhlich sein und singen“ (Frösi) wird das Lied 1957 zum ersten Mal gedruckt. „Weihnachtsbäckerei“ stand seinerzeit ganz schlicht über den Strophen. Erst auf dem Cover der Langspielplatte „Bald nun ist Weihnachtszeit“ erschien es 1970 unter dem Titel „Oh, es riecht gut“. „In der DDR gehörte es zum Unterrichtsstoff Klasse 2 in Musik. Deshalb kennen viele das Lied“, sagt Suschke, deren Mentorin vor 20 Jahren in Bautzen starb.

Ihr Erbe führt die langjährige Wegbegleiterin fort, übernahm viele ihrer Tanzkreise, die Weiterbildungen für Tanztherapeuten für Reha-Kliniken genauso wie den Workshop „Meditativen Tanz“ beim Tanzfest in Rudolstadt. So ist ihre Freundin weiter präsent und spätestens, wenn ihre Weihnachtsweise erklingt, summt Suschke mit: „Weihnachtskringel braun und rund, eins zum Kosten in den Mund. Oh, es riecht gut.“ (dpa)