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Perfekter Klang trifft Kochkunst

Vor zehn Jahren eröffneten Olav und Manuela Seidel den Gasthof neu. Mit einem ambitionierten Konzept. Etwas hat dabei bisher aber noch gefehlt.

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© Arvid Müller

Von Sven Görner

Bärwalde. Wie die Bläschen aus einem gut gekühlten Glas Champagner perlen die Töne aus dem Nebenzimmer in den kleinen gemütlichen Gastraum. Makiko Takeda-Herms entlockt sie einem schwarzen Flügel, der sehr bescheiden in der Ecke gegenüber dem Tresen steht. Dort, wo um diese Jahreszeit eigentlich der Weihnachtsbaum seinen Platz hat.

Vor knapp zehn Jahren hat Olav Seidel die ersten Gerichte auf dem nach seinen Wünschen gebauten Holzofen gekocht.
Vor knapp zehn Jahren hat Olav Seidel die ersten Gerichte auf dem nach seinen Wünschen gebauten Holzofen gekocht. © Lutz Weidler

Die Bescheidenheit ist dabei völlig fehl am Platze, wie ein Blick auf das frisch polierte Holz verrät. Dort steht in goldener Schreibschrift Bösendorfer. Normalerweise trifft man auf solch ein Instrument in großen Konzertsälen, ausgesuchten Orten der Kammermusik oder auch Hausmusiksalons vermögender Musikliebhaber. Aber in einem kleinen Gasthof auf dem Lande?

Genau so dachten viele wohl auch über das Konzept, mit dem Olav und Manuela Seidel im Januar 2007 den Gasthof Bärwalde nach über zehn Jahren Leerstand wieder eröffneten. Nicht für das schnelle Feierabendbier oder die Familienfeier am Wochenende, sondern als einen Ort zum kulinarischen Genießen. Nicht die große Nummerspeisekarte, sondern wenige handwerklich gut rausgekochte Gerichte.

Dabei verbindet Olav Seidel in seiner Küche hochwertige, möglichst regionale Produkte mit der klassischen französischen Küche. Das Ergebnis ist bodenständig im besten Sinne des Wortes. Etwa die hausgemachte Bauernterrine oder das Weidelamm aus dem Unterdorf à la provencale. Für den gebürtigen Moritzburger ist das kulinarische Wahrhaftigkeit, Kochkultur und Ausdruck seines Lebensgefühls. Dass auch Wein eine große Rolle bei Olav Seidels Gerichten spielt, er das Essen gar auf den Wein abstimmt, verwundert wahrscheinlich nicht, wenn man weiß, dass er vor seiner Rückkehr im „Schwarzen Adler“ gekocht hat. Dem Traditionshaus in Oberbergen im Kaiserstuhl, mit dem renommierten Weingut Franz Keller.

„Dort waren wir auf den damals noch jungen Mann in Weiß aufmerksam geworden“, erinnert sich der Schauspieler Alfred Herms, der Mann von Makiko Takeda-Herms. Dem ersten Gespräch folgten weitere und schließlich entstand daraus eine Freundschaft. Was wohl auch mit am Hang Olav Seidels zur klassischen Musik liegen mag. „Wenn ich Wagner, Beethoven oder Schubert höre, kann ich runterfahren“, sagt der Kochkünstler.

Schuberts Winterreise sollte Anfang 2008 schließlich auch eine Konzertreihe im noch unsanierten Saal des Gasthofs eröffnen. Am Klavier saß damals natürlich die befreundete Pianistin. Der Erfolg war vielversprechend. Das Haus ausverkauft. Ein weiteres Konzert folgte. Doch das blieb dann vorerst das Letzte. „Der Aufwand war einfach zu groß, immer wieder einen guten Flügel oder ein gutes Klavier nach Bärwalde zu holen“, sagt der Gastronom.

Den Traum vom eigenen Instrument für den Gasthof hatten die Seidels indes weiter. Das bevorstehende Jubiläum war nun der Anlass, diesen zu verwirklichen. Hilfe bekamen sie dabei von Makiko Takeda-Herms und ihrem Mann. „Ein befreundetes Ehepaar hat ein Alter erreicht, dass sie sich von ihrem Flügel trennen wollten“, sagt die Künstlerin. Eben jenem Bösendorfer, der nun in Bärwalde steht. Auch wenn die Pianistin zunächst etwas Bedenken hatte, ob das wertvolle Instrument hier die passenden klimatischen Bedingungen vorfindet. „Umso befreiter und dankbarer bin ich, dass der Flügel hier so schön klingt“, ergänzt Makiko Takeda-Herms.

Für die Gäste des Hauses wird sie erstmals in der Silvesternacht darauf spielen – unter anderem Stücke von Scarlatti und Chopin. Vier weitere Veranstaltungen sind 2017 geplant. Für die festliche Soiree gibt es noch ein paar wenige freie Plätze. Darüber, was er an diesem letzten Abend des Jahres auf den eigens nach seinen Vorstellungen gebauten holzbefeuerten Ofen für seine Gäste kreieren wird, hüllt der Kochkünstler noch den Mantel des Schweigens. Nur so viel verrät er: „Für das Zwischengericht werde ich Ente von Jean-Claude Miéral, Frankreichs Geflügelzüchter Nummer eins, verwenden.“

Für Olav Seidel ist gute Musik das, was ein gutes Essen und guten Wein in ihrer Kombination perfekt macht. „So werden alle Sinne angesprochen.“ Bisher hat das letzte Glied in der Kette gefehlt. Nun ist diese komplett und damit das Konzept, dessen Umsetzung er und seine Frau vor nunmehr fast zehn Jahren mit viel Risiko, Disziplin und nicht zuletzt Bescheidenheit begonnen haben. Inzwischen hat der besondere Landgasthof eine feste Fangemeinde und überzeugt seit 2011 beziehungsweise 2012 auch Jahr für Jahr die Tester der Gourmet-Führer Gault Millau und Michelin.