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Pegida treibt Schweißperlen auf Dresdner Denkerstirnen

Im Umgang mit dem Verein sieht Werner Patzelt einen Verrat am Pluralismus. Professoren-Kollege Donsbach warnt aber vor dem Allheilmittel Volksentscheid.

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© Sven Ellger

Von Tobias Hoeflich

Als Moderatorin Dagmar Ellerbrock von der TU Dresden die Veranstaltung für beendet erklärt, verabschiedet sich die Professorin der Philosophischen Fakultät mit einem Wunsch: dass die rund 400 Gäste im Kleinen Haus auf dem Nachhauseweg das Gespräch kritisch und respektvoll weiterführen. Die hitzige, doch sachliche Diskussion zuvor zeigt: Ein Nachhauseweg allein wird nicht reichen.

Zu groß scheint der Dialogbedarf zu sein, zu unterschiedlich sind die Sichtweisen rund um Pegida. Das verdeutlichen Sonntagmittag allein die Wortmeldungen der Gäste bei der Diskussionsrunde der Philosophischen Fakultät. Während ein Kommentator in den Pegida-Spaziergängern nur passive Mitläufer sieht, die sich nicht engagieren und nur bedienen lassen wollen, melden sich auch Teilnehmer der Demos zu Wort. Wie das Seniorenehepaar, das am Rande der Stadt wohnt und bald 70 Asylbewerber als Nachbarn hat – ohne genügend informiert worden zu sein. „Das brachte bei uns das Fass zum Überlaufen.“ Ein Fass, das zuvor durch gigantische Eurorettungsschirme stark angeschwollen war.

Bei den Ursachen für die Pegida-Bewegung sind sich die drei Podiumsteilnehmer, allesamt TU-Professoren, weitestgehend einig. „Das Politikangebot entspricht nicht dem, was die Leute beschäftigt“, sagt Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Probleme in der Asyl- oder Integrationspolitik anzusprechen sei gerade in Dresden schwierig, wo es wegen der Neonazi-Aufmärsche rund um den 13. Februar 1945 ein „sehr sensibles Antirechtsspektrum“ gebe. Die vorschnelle Verteufelung der Pegida-Demonstranten habe dann zu einer trotzigen Solidarität geführt und dem Verein Zulauf verschafft. „In der Debatte hat die pluralistische Gesellschaft ihre eigenen Prinzipien ein Stück weit verraten.“

Nicht fremdenfeindlicher als der Rest der Republik

Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach hat mit Blick auf die „Lügenpresse“-Rufe bei den Demo-Teilnehmern eine verzerrte Wahrnehmung der Berichterstattung ausgemacht, die ihre eigene Meinung als zu wenig beachtet sehen. Dennoch sei die Kritik nicht völlig unbegründet: „Der größte Teil des Dresdner Image-Schadens ist nicht durch die Pegida-Demonstrationen entstanden, sondern durch die Art der Berichterstattung“, so Donsbach. Fremdenfeindlicher als der Rest der Republik seien die Dresdner nicht.

Uneins sind die Forscher, welche Lehren aus Pegida zu ziehen sind. Soziologe Karl-Siegbert Rehberg spricht sich etwa für mehr Teilhabe in der Politik aus. Die Demos und Gegendemos derzeit seien im Grunde eine „bequeme Opposition“ für die Regierenden: „Die wirklichen Probleme kommen dadurch nicht zur Sprache.“ Donsbach warnt dagegen davor, in Volksabstimmungen nur einen Segen zu sehen: Viele richtungsweisende Entscheidungen der letzten Jahrzehnte hätte es damit nicht gegeben. So kann nach zwei Stunden Debatte Werner Patzelts Prognose auch als Fazit gezogen werden: „Pegida wird uns weiterhin die Schweißperlen auf die Denkerstirnen treiben.“