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Pech im Lotto, Glück im Leben

Mit der Lotto-Panne schwindet für eine Freitaler Familie die Hilfe für ihren kranken Sohn. Doch dann kommt alles anders.

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Von Verena Weiß

Die knapp zwei Meter bis zum Boden machen ihm keine Angst. Kevin bleibt entspannt, als er aus seinem Rollstuhl auf den Rücken von Prinz gehoben wird. Wie selbstverständlich greift er mit beiden Händen in den Sattel. Dann läuft der Hengst los. Therapeutin Conny Sauer bleibt an seiner Seite, schaut zu Kevin hoch. Sein Blick sucht die Ferne. Er sieht zufrieden aus.

Kevin ist körperlich und geistig schwer behindert. Der Ausflug auf dem Pferderücken tut dem Neunjährigen gut. Doch dass Kevin überhaupt wieder auf Prinz reiten kann, ist für ihn und seine Eltern ein großes Glück. Denn eigentlich schien die dreiköpfige Familie aus Freital zunächst eher vom Pech verfolgt zu sein.

Alles begann mit einem einzigen Tippschein, mit dem Mandy und Klaus Göhler Anfang April ihr Lotto-Glück versuchten. Und tatsächlich: Als sie an diesem Abend die Lotto-Ziehung verfolgten, konnte es die junge Familie kaum fassen: Fünf Richtige! Mehrere tausend Euro wäre dieser Tipp wert gewesen. Geld, das die 30-jährige Mandy Göhler dringend gebraucht hätte, um ihrem kranken Sohn die Pferdetherapie zu finanzieren. Auch neue orthopädische Schuhe für Kevin wären mal wieder fällig gewesen. Von ihrem Minijob in der Kantine und der Unterstützung durch Sozialhilfe bliebe kaum Geld dafür übrig.

Doch die Freude über den vermeintlichen Geldsegen hielt gerade einmal 22 Minuten. Was dann geschah, verfolgten damals 2,33 Millionen Lotto-Spieler vor dem Fernseher. Lotto und ZDF erklärten die Ziehung für ungültig, weil zwei Kugeln nicht in die Trommel rollten. Eine Panne, die auch Familie Göhler aus Freital prompt aus ihrem Lotto-Glück riss (SZ berichtete).

„Es ist schade, aber was soll man machen“, kommentierte Mandy Göhler damals ihr Lotto-Pech. Trotz des Ärgers trug die Familie ihr Schicksal mit Fassung. Trübsal blasen kam nicht infrage. Ihr Sohn sollte trotzdem die Pferdetherapie bekommen. „Lieber hätte ich an anderer Stelle verzichtet“, sagt Mandy Göhler. Doch so weit kam es nicht.

Als die SZ über das Schicksal von Familie Göhler und ihren kranken Sohn berichtete, nahm die Geschichte der drei Freitaler eine unverhoffte Wendung. Gordon Knabe, Centermanager des Dresdner Elbeparks, der ebenfalls aus der SZ von der unglaublichen Geschichte der Familie erfuhr, meldete sich kurz darauf bei der SZ und erklärte sich sofort bereit, den Göhlers zu helfen. „Ich finde es toll, wie die Familie sich für ihr Kind engagiert“, sagt er, „das möchten wir gern unterstützen.“ Vorerst für ein ganzes Jahr will Gordon Knabe im Namen des Elbeparks Dresden die Finanzierung der Therapiestunden sichern. „Wenn es Kevin gefällt, gern auch ein weiteres Jahr“, sagt Gordon Knabe, der Kevin zur jüngsten Therapiestunde auf dem Reiterhof im etwa 15 Kilometer entfernten Sachsdorf bei Klipphausen besuchte und dem kranken Jungen beim Reiten zusah.

Er wolle keinen einmaligen Aktionismus, erklärt er, sondern wirklich helfen. Außerdem möchte er, so sagt Knabe, auch für andere Unternehmen und finanziell Bessergestellte einen Anstoß geben, sich für benachteiligte Menschen stark zu machen und sich zu engagieren.

Für Kevin und seine Eltern gibt es deshalb endlich Grund zur Freude. Neben den Reitstunden erhält der Junge demnächst auch zwei Paar neue orthopädische Schuhe. Eine Hilfe, die insgesamt rund 2 500 Euro wert ist und deshalb für Familie Göhler eine riesige Erleichterung bedeutet. „Ich kann es gar nicht fassen“, sagt Mandy Göhler, die sich riesig über die unerwartete Hilfe des Centermanagers freut, „so viel Glück hatten wir noch nie.“

Noch hat die junge Mutter die Hoffnung nicht aufgegeben, dass auch die Lotto-Zahlen irgendwann einmal günstig fallen. Ihren kürzlichen Beinah-Treffer hat sie jedenfalls seitdem jeden Tag vor Augen: „Der Tippschein hängt noch in unserer Wohnstube an der Wand“, sagt sie und lacht. Schließlich brachte er doch noch das Glück im Unglück.