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Pasta, Pistoieser und Pinocchio

41 Zittauer sind in die toskanische Partnerstadt gereist. Die SZ ist bei der Bürgerreise dabei gewesen.

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© Mario Heinke

Mario Heinke

Zittau/Pistoia. Lilly, Tim und Emma aus der dritten Klasse der Wilhelm-Busch-Grundschule sitzen unruhig in der ersten Reihe im Konferenzraum der Villa Stonorov in Arcigliano. Der Ort liegt in der Nähe der Stadt Pistoia am Fuße der Apenninen. Gemeinsam mit zwei weiteren Klassenkameraden, die zu Hause bleiben mussten, haben die Grundschüler den Pinocchio-Malwettbewerb der Jorio-Vivarelli-Stiftung gewonnen. Zur Belohnung durften sie nach Pistoia reisen, den Pinocchio-Park in Collodi besuchen und ein paar schöne Tage in der Toskana verbringen, während ihre Klassenkameraden noch die Schulbank drückten.

Die Marmorfassade der Kirche S. Govanni Fuorcivitas (Mitte). Picknick in der Villa Stonorov (links oben). Im Baptisterium an der Piazza del Duomo sind die Via Sacra-Ausstellung und eine Kopie des kleinen Fastentuches zu sehen (Mitte links). Brautpaar auf
Die Marmorfassade der Kirche S. Govanni Fuorcivitas (Mitte). Picknick in der Villa Stonorov (links oben). Im Baptisterium an der Piazza del Duomo sind die Via Sacra-Ausstellung und eine Kopie des kleinen Fastentuches zu sehen (Mitte links). Brautpaar auf © Mario Heinke

Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) gratuliert den Kindern und begrüßt die anderen 38 Zittauer, die Pfingstmontag zu einer einwöchigen Busreise in die italienische Partnerstadt gestartet waren. Zenker eröffnete die kleine Ausstellung der Schülerarbeiten und bedankt sich bei den Gastgebern von der Jorio-Vivarelli-Stiftung, die den Wettbewerb ins Leben gerufen hatten, sowie beim „Stammtisch“, einem örtlichen Verein, der die Kontakte zu den Partnerstädten in Deutschland pflegt. Nach der Besichtigung der kleinen Kunstwerke und der großen Statuen des berühmten Bildhauers Vivarelli lassen Zittauer und Pistoieser sich gemeinsam an einer langen Tafel im Schatten der Pinien nieder. Die Gastgeber servieren Pasta, Bruschetta, Salami, Käse, Melone, Gebäck und Wein. Weinproduzent Juiseppe Martini erklärt Sorten, Jahrgänge und deren Besonderheiten. „Cin cin“ oder „Salute“ schallt es durch den weitläufigen Garten der Villa. La Dolve Vita flirrt durch die heiße Luft. An der langen Tafel berichten Carina Wittig und Gabriele Kaiser, beide Lehrerinnen am Christian-Weise-Gymnasium (CWG) Zittau, von ihrem Besuch in einer Schule in Pistoia am Vortag. Das Treffen mit der dortigen Deutschlehrerin der I.T.C. Filippo Pacini-Schule lief optimal, erzählen sie. Im Frühjahr sollen die ersten italienischen Schüler nach Zittau reisen und bei Gastfamilien untergebracht werden. Ein Gegenbesuch der Zittauer Gymnasiasten in Pistoia ist für November 2018 geplant. Die neue Schulpartnerschaft feiern die Frauen mit einem 2011‘er Vinzento, der gerade gereicht wird.

Ein Tag zuvor in Pistoia: Beifall schallt aus dem Rathaus. Ein Brautpaar schreitet durch den Laubengang auf den Domplatz. Die Hochzeitsgäste klatschen, Reis fliegt, scheinbar kiloweise. Die Glocken läuten, die Nachmittagssonne drückt. Männer in eng sitzenden Anzügen, Frauenschuhe mit extrem hohen Absätzen. Kinder spielen Fußball auf der Piazza del Duomo, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Ein alter Mann schiebt seinen Hund, der im Rollstuhl auf allen Vieren steht. Luftballons schweben am Turm der Kathedrale von San Zemo an diesem späten Nachmittag. Sie gehören zu einem Wahlkampfteam auf Fahrrädern. Die Menschen schlecken Eis, telefonieren, reden laut miteinander, durcheinander, vermutlich auch übereinander. Für den Kommunal-Wahlkampf scheint sich niemand zu interessieren. Die Hochzeitsgesellschaft schlendert an den Wahlkämpfern vorüber. Der Fotograf fordert das Brautpaar auf, sich zwischen die großen, roten Luftballons zu stellen. Aus einer politischen Botschaft, wie immer sie auch lauten sollte, wird eine Botschaft der Liebe: Amore mio!

Am frühen Sonnabendabend eröffnet OB Zenker im zum Dom gehörenden Baptisterium die Ausstellung „Begegnungen, die berühren. Die Zittauer Fastentücher und die Via Sacra“. Die Tafeln der Ausstellung sind in englischer Sprache beschriftet. Womöglich eine vertane Chance. In Gesprächen mit Gastwirten, Verkäuferinnen und Einwohnern vor Ort wird schnell deutlich: Niemand kennt Zittau, berichtet ein Mitreisender. Dabei gibt es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Partnerstädten: Pistoia steht seit Jahrhunderten im Schatten von Florenz. Die Abneigung der Pistoieser gegenüber der Nachbarstadt hat eine lange Tradition und erinnert an das Verhältnis zwischen Zittau und Görlitz. Touristisch ist Pistoia noch ein Geheimtipp, eine authentische Kleinstadt, die nicht von Touristen überlaufen ist. Auf Besucher warten eine wunderschöne Altstadt mit toskanischem Marktviertel, gemütliche Cafés und kulturelle Angebote. Die Stadt ist auch für den weltweiten Export von Zierpflanzen und Bäumen aus seinen unzähligen Baumschulen bekannt, erzählt Reiseleiterin Jaroslava Smrkovka aus Liberec (Reichenberg). Ein Liberecer Reiseunternehmen organisierte die Bürgerreise, weil die Oberlausitzer Anbieter keine freien Kapazitäten in der Zeit hatten.

Städtepartnerschaften sollen vor allem dem kulturellen Austausch dienen. Lebendig werden sie durch die Begegnungen der Bürger. So gesehen ist Zittau der Toskana wohl wieder ein Stück nähergekommen.