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Parteien werben um Russlanddeutsche

Bei der Wahl in Berlin hofft vor allem die AfD auf Stimmen aus dieser Bevölkerungsgruppe.

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© dpa

Von Jutta Schütz, Berlin

Viele Russlanddeutsche in Berlin machen sich Sorgen. Um Ordnung und Sicherheit. Und das deutsche Verhältnis zu Russland. Die Sanktionen gegen Moskau lehnten viele ab, genauso allzu lässige Lebenseinstellungen, sagt Eleonora Heinze, Beauftragte für die Aussiedler im CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf. Lange Zeit waren solche Sorgen eher ein Randthema für die Politik in der Hauptstadt. Doch am 18. September wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Und da könnten die Stimmen der Russlanddeutschen plötzlich besonders ins Gewicht fallen.

„In den 90er-Jahren haben 80 Prozent CDU gewählt – heute ist das nicht mehr so“, sagt Heinze. Gerade die AfD komme bei etlichen Russlanddeutschen derzeit gut an. In Umfragen erreicht die AfD 15 Prozent der Wählerstimmen, sie würde damit erstmals ins Landesparlament einziehen. Es könnte sein, dass die Partei in einigen der zwölf Stadtbezirke sogar Regierungsverantwortung bekommt. Denn neu gewählt werden auch die Bezirksverordnetenversammlungen.

In der Hauptstadt leben nach Angaben der SPD rund 300 000 Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Etwa 100 000 von ihnen sind Russlanddeutsche, allein im Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf sollen es 30 000 sein. „Dort wird die AfD bestimmt gut abschneiden“, schätzt Heinze. Die heute 33-Jährige kam 2002 aus Usbekistan nach Deutschland. Bald darauf engagierte sie sich bei den Christdemokraten. Jetzt bewirbt sich Heinze erstmals auch um einen Sitz im Bezirksparlament.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kamen Tausende mit deutschen Wurzeln ins wiedervereinigte Deutschland und erhielten den deutschen Pass. Für viele war diese Möglichkeit mit dem Namen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) verbunden, den sie dann auch wählten. Schon seit 1950 wurden Aussiedler in der alten Bundesrepublik aufgenommen. Fast 2,4 Millionen Menschen siedelten aus Russland und den alten Sowjetrepubliken nach Deutschland über.

Nicht nur die CDU, auch die anderen Parteien kämpfen bei dieser Klientel um Stimmen. Bei der SPD hatte der Abgeordnete Fréderic Verrycken kürzlich unter dem Motto „Leben in Charlottengrad“ zu einer Diskussion über die Chancen der Community in das Charlottenburger Restaurant Samowar eingeladen. Die Grünen haben Flyer auf Russisch, die besonders in Marzahn-Nord verteilt werden, wo viele russischsprachige Wähler leben. Auch die Linke sucht den direkten Kontakt. (dpa)