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Papst verspricht besseren Wein

30 Jahre war kein Papst mehr in Ecuador. Und dann kommt der erste Südamerikaner auf dem Stuhle Petri. Ein klares Signal: Die Menschen an der Peripherie stehen für Franziskus im Fokus.

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© dpa

Von Juan Garff und Georg Ismar

Guayaquil. „Hoch die Herzen, hier kommt das Papamobil.“ Und: „Es lebe der Papst.“ Mächtig stolz sind sie in Ecuador, dass Franziskus als erster Papst seit 30 Jahren dem Land am Äquator einen Besuch abstattet. Tausendfach schallen ihm begeisterte Gesänge entgegen. Die Nacht über hatten sie auf dem freien Feld campiert, wo der Papst im Parque Los Samanes der Hafenstadt Guayaquil die erste Messe auf seiner ersten großen Südamerikareise feiert.

Er streichelt über die Köpfe der Kinder, und in seiner Predigt sagt er gleich drei Mal: „Der beste Wein kommt noch.“ Niemand sei unnütz, mahnt er - er ist hier der Papst aller. Gott nähere sich immer den Peripherien, derer, „die ohne Wein geblieben sind, die nur Mutlosigkeit zu trinken haben“. Entscheidend für das Überwinden von Krisen sei die Kraft der Familie. „Die Familie ist das nächstgelegene Krankenhaus, die erste Schule der Kinder, die unverzichtbare Bezugsgruppe für die jungen Menschen, das beste Heim für die alten Menschen.“ Sie sei wie eine häusliche Kirche.

Das sind die zwei Seiten des Franziskus. Da der progressive Papst, der raus zu den Rändern geht, Umweltzerstörung in einer eigenen Enzyklika („Laudato si“) geißelt und gegen die Auswüchse des Kapitalismus wettert. Und da der konservative Katholik, um dessen Gunst Ecuadors linker Präsident Rafael Correa sichtbar bei der Visite buhlt - beide sind sie klare Abtreibungsgegner.

Konservativer Katholik versus Präsident Correa

Franziskus hält aber bei aller Freundlichkeit etwas Distanz zu seinem Gastgeber. „Ich danke Ihnen für die Übereinstimmung mit meinen Gedanken, Sie haben mich zu sehr zitiert“, sagte er bei der Begrüßung in Quito, nachdem Correa zahlreiche Papstzitate mit seiner Klage gegen die „unmoralische Weltordnung“ zusammenfließen ließ. Und immer wieder ruft er zum Dialog und zur Einheit ohne Ausgeschlossene auf, im Gegensatz zum konfrontativen Kurs, den Correa in der Innenpolitik seines Landes führt.

Dass der Papst hier in Ecuador ist, wo das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mit knapp 6 000 Dollar im Jahr rund acht Mal geringer ist als in Deutschland, ist ein klarer Fingerzeig. Nicht in sein Geburtsland Argentinien führt ihn seine erste große Südamerikareise in seinen Heimatkontinent, sondern in die wenig beachteten Staaten Ecuador, Bolivien und Paraguay. Der Jesuit schärft damit sein Profil: Er versteht sich als Papst der Peripherie und der Ausgegrenzten.

Auf dem Programm stehen Besuche bei Alten, Kranken, Gefangenen und Treffen mit Indio-Gruppen. Seine Mission ist aber auch: Die Erosion des katholischen Kontinents zu stoppen. 40 Prozent der Katholiken weltweit leben hier. Offiziell gilt als Katholik, wer getauft ist. Doch das ist wenig aussagekräftig. Viele lassen sich heute von Menschen- und Geldfängern der Pfingstkirchen einlullen.

Ein besonderes Dilemma: Zwar geißeln Correa und Boliviens indigener Präsident Evo Morales die Umwelt- und Klimazerstörung durch die Industriestaaten - und zu lang hätten sich die früher herrschenden Eliten auf Kosten der Armen bereichert. Aber sie weiten wiederum auch selbst die Öl- und Gasförderung trotz Protesten indigener Gruppen in sensiblen Regionen wie dem Amazonasgebiet aus. Ende letzten Jahres verweigert Correa sogar Bundestagsabgeordneten die Einreise, sie wollten sich über die ab 2016 geplante Ölförderung im Yasuni-Nationalpark informieren.

Ölförderung im Amazonasgebiet

Das stößt sich mit Franziskus‘ Kampf gegen eine weitere Ausbeutung der Erde - zugleich wollen die Präsidenten die Einnahmen dazu nutzen, ihrer Bevölkerung bessere Lebensbedienungen zu verschaffen. In Bolivien etwa wird massiv in Sozialprogramme und Infrastruktur investiert. So ist Franziskus‘ Wein-Versprechen ein schwieriger Spagat. Der 78-Jährige preist das wunderbare Land mit den Gipfeln des Chimborazo, den Küsten des Pazifiks, dem Urwald des Amazonas bis hin zu den Galápagosinseln. Es ist auch eine Mahnung, dieses Geschenk zu achten. Ob sein Besuch hier nachhaltig sein wird?

Die nächste Station ist Bolivien, Hunderte Helfer zupfen bereits Unkraut, selten war La Paz so sauber. Präsident Morales grüßt auf Plakaten mit Franziskus - er versucht im Fahrtwind des Jesuiten zu segeln, obwohl er sich mit den heimischen Bischöfen gerne anlegt. Der Aufenthalt auf 3 600 Metern wird für Franziskus, der nur einen voll funktionstüchtigen Lungenflügel hat, ein Kraftakt. Sicherheitshalber ist im Papamobil ein Sauerstoffgerät an Bord. (dpa)