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Pappritzer inspizieren Asylheim

Hunderte wollten gestern wissen, wie Flüchtlinge hier leben werden. Der Sozialbürgermeister geriet in Erklärungsnot.

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© Tobias Wolf

Von Kay Haufe

Roter Teppich liegt in den Fluren und Zimmern des neuen Pappritzer Asylbewerberheimes, in den Ein-, Zwei- und Dreibetträumen sind verpackte Bettwäsche, Handtücher und Deckensets auf den Betten ausgebreitet. Jedes Zimmer hat einen Kühlschrank und ein separates, hell gefliestes Bad mit Dusche, WC und Waschbecken. Die Sonne scheint durch große Fenster. „Das ist doch hier purer Luxus. Wenn die hier einziehen, wollen die Asylbewerber doch nie wieder weg aus Deutschland und bekommen einen falschen Eindruck von unseren Wohnverhältnissen“, ruft laut ein älterer Pappritzer. Seinen Namen will er nicht nennen.

... nimmt Erhard Wissel die Ausstattung des neuen Heims unter die Lupe.
... nimmt Erhard Wissel die Ausstattung des neuen Heims unter die Lupe. © Tobias Wolf
Roter Teppich liegt in den Zimmern des neuen Pappritzer Asylbewerberheimes, in den Ein-, Zwei- und Dreibetträumen sind verpackte Bettwäsche, Handtücher und Deckensets auf den Betten ausgebreitet.
Roter Teppich liegt in den Zimmern des neuen Pappritzer Asylbewerberheimes, in den Ein-, Zwei- und Dreibetträumen sind verpackte Bettwäsche, Handtücher und Deckensets auf den Betten ausgebreitet. © Tobias Wolf

Gemeinsam mit Hunderten anderen Interessenten ist er gestern auf den Wachwitzer Höhenweg gekommen, um zu sehen, wie im einstigen Hotel künftig Asylbewerber betreut werden. Viele müssen lange anstehen, um ins Haus zu kommen, so groß ist das Interesse. Auf den Gängen wird es streckenweise eng. Der rote Teppich bringt nicht allein den Rentner in Rage. Da nützt es wenig, dass ihm Sylvia Hänsch vom Sozialamt erklärt, dass der Teppich Bestandteil des Hotels war und nur wenig verändert wurde, um Kosten zu sparen.

Diskussion um Flüchtlinge

Eine Frau mit Pro-Pegida-Button an der Lederjacke beginnt vor dem Waschmaschinenraum eine Diskussion um „wirkliche Flüchtlinge“ und diejenigen, die aus ihrer Sicht aus wirtschaftlichen Erwägungen einen Asylantrag gestellt haben. „Keiner wird wieder abgeschoben. Einmal drin, immer da“, erhält sie lautstarke Unterstützung von einer älteren Dame.

Doch das will Werner Neugebauer von der Initiative „Willkommen im Hochland“ so nicht stehen lassen. Von den Kosovaren, die 2014 Asyl in Deutschland beantragt haben, sei nur ein Prozent anerkannt worden. Der Rest sei abgeschoben worden, erläutert er den beiden Frauen. Um sie hat sich schnell eine Menschentraube gebildet. Andere Zuhörer werfen ein, dass sie sich mehr Geld für die Dresdner Schulen statt für Asylheime wünschen. Weitere Mitglieder der Willkommens-Initiative nehmen an der Diskussion teil, tauschen Argumente mit den Besuchern aus. „Wir möchten die Flüchtlinge hier gut integrieren, da spielt es keine Rolle, woher sie kommen. Und im Asylverfahren wird geklärt, ob sie einen Anspruch auf Bleiberecht haben“, sagt Neugebauer ruhig und sachlich.

Eine Etage höher stellt sich Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos) den Fragen der Besucher. Viele Pappritzer, die in unmittelbarer Nähe des Heimes wohnen, bringen ihren Ärger über die mangelhafte Informationspolitik der Stadt zum Ausdruck. Immer nur stückchenweise und nur auf Nachfrage sei etwas bekannt geworden. Auch aktuell sind die Anwohner sauer. Während Sozialamtsleiterin Susanne Cordts noch am Freitag erklärte, dass sich unter den derzeit zugewiesenen Flüchtlingen rund 40 Prozent Familien befinden und sich das auch bei der Pappritzer Belegung widerspiegeln würde, rudert sie nun zurück. Stattdessen sollen heute 40 Alleinstehende aus dem Pappritzer Gustavheim einziehen . „Wir haben das erst am späten Freitagnachmittag so festgelegt, weil die Bewohner größerer Heime auch die Möglichkeit erhalten sollen, in kleinere Häuser zu kommen“, sagt Cordts.

Für die Anwohner ist das jedoch wieder ein Indiz, dass sie nicht ernst genommen werden. Und das muss sich der Sozialbürgermeister mehrfach anhören. Er verweist auf seine Pflicht, Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge zu finden. Auch dieses Jahr könnten bis zu 2630 neue dazukommen. Letztes Jahr bekam Dresden 1313 Asylbewerber zugewiesen.

Mit großem Interesse inspiziert der Schönfelder Erhard Wissel das neue Asylbewerberheim. Der ehemalige Zahnarzt engagiert sich im Albert-Schweitzer-Freundeskreis Dresden. Dieser hatte bereits im Vorfeld eine Diskussionsrunde zum Thema Asyl organisiert und dabei auch über die unterschiedlichen Religionen gesprochen, denen die Asylsuchenden angehören. Wissel hat dem Heimleiter ein Gastgeschenk mitgebracht. „Allerdings sind sie nur für Afrikaner geeignet, für die Erdnüsse Ausdruck des Willkommens sind“, sagt Wissel.

Auch Helmut Flach schaut mit seinem Sohn in Ruhe ein Zweibettzimmer an. „Das hat hier nichts mit Luxus zu tun, sondern ist im Gegensatz zu Turnhallen eine vernünftige Unterbringung“, sagt er. Von der Teilung in Gegner und Befürworter hält er nichts. „Wir sollten in Ruhe Argumente austauschen. Wenn wir ehrlich sind: Kein Asylbewerber nimmt uns irgendwas weg.“

Im provisorischen Café, das die Initiative „Willkommen im Hochland“ eingerichtet hat, herrscht Hochbetrieb. Dort bekommt Gebhard Ruess Angebote. „Ein Gast hat gefragt, ob wir Räume haben, wo gemeinsam musiziert werden könnte. Eine Frau wollte eine Kunsttherapeutin vermitteln, die traumatisierten Flüchtlingen aus Kriegsgebieten helfen könnte“, sagt Ruess. Das Sozialamt will solchen Asylbewerbern dort Einzelzimmer geben. Während der Besucherstrom im Heim nicht abreißt, spielen nur wenige Hundert Meter entfernt zwei Mannschaften auf dem Bolzplatz Fußball. Darunter etliche Asylbewerber aus dem Gustavheim, die seit Wochen von Mitgliedern der Initiative „Willkommen im Hochland“ dazu eingeladen werden.

Heute macht die asylkritische Pegida-Bewegung wieder ihren Spaziergang, trifft sich am Altmarkt. Allerdings gibt es gleich zwei Gegenveranstaltungen. Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ veranstaltet ab 17 Uhr eine Kundgebung auf dem Neumarkt und ab 19 Uhr ruft das Bündnis „Dresden für alle“ Teilnehmer zum Postplatz. Von dort startet die „Prozession der Angsthasen“, mit möglichst vielen Hasenkostümen.