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Papierschiffe am Neustädter Markt

Das Areal soll umgestaltet werden. Die Dresdner werden nun eingebunden – auf einem ungewöhnlichen Weg.

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© R. Meinig

Von Sarah Grundmann

Wie schnell die kleinen Papierschiffchen wohl auf blankem Beton sind? Mit einem Augenzwinkern veranstalten Anwohner, Händler und Anlieger des Neustädter Markts an diesem Sonnabendnachmittag eine Regatta mit gebastelten Booten – ausgerechnet im stillgelegten Brunnen am Neustädter Markt. Doch die spaßige Aktion hat einen ernsten Hintergrund. Sie ist ein ungewöhnlicher Weg der Bürgerbeteiligung. Denn die Stadt will den Neustädter Markt und das Königsufer umgestalten. Über das Wann und Wie wissen bislang nur wenige Anwohner und Händler Bescheid. Deren Verunsicherung spürte auch Architekt Alexander Heber deutlich.

Der 33-Jährige ist mit seinem Architekturbüro Anfang dieses Jahres an den Neustädter Markt gezogen. Als Dekoration stellte er ein Modell ins Schaufenster – ganz ohne Hintergedanken. „Aber dann klopfte es ständig bei uns“, berichtet Heber. „Anwohner fragten, ob ich ihre Häuser abreißen will.“ Sie dachten, Heber sei für die geplante Umgestaltung des Neustädter Markts verantwortlich, das Modell im Schaufenster zeige seine Visionen. Dabei hatte der Architekt mit der geplanten Umgestaltung gar nichts zu tun – bis jetzt.

Nachdem er zahlreiche Geschichten gehört hatte, machte sich Heber Gedanken. Im Gespräch mit anderen Architekten kam die Idee: Postkarten wurden im Umfeld verteilt und in Briefkästen gesteckt. Auf der Rückseite sollten die Beteiligten ankreuzen, ob sie am Neustädter Markt wohnen, arbeiten oder nur gelegentlich zu Besuch sind. Darunter war Platz für Notizen – von der besonderen Anekdote bis hin zum konkreten Wunsch für die Umgestaltung. „Der Neustädter Markt bündelt ganz unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen“, sagt Heber. So ist dem Arbeitnehmer vielleicht eine Kantine wichtig, dem Anwohner ausreichend Grün. Bei einem Kurzbesuch könnten die Planer das nicht erfahren, dabei seien die Anliegen der Leute am Neustädter Markt wichtig.

27 Karten landeten bisher im „Wie-es-euch-gefällt-Briefkasten“ am Architekturbüro. Deutlich wird: Die Anwohner machen sich Sorgen. Viele fürchten, dass die unsanierten Vonovia-Platten abgerissen und durch teuren Wohnraum ersetzt werden. Dabei wohnen die Neustädter teilweise schon Jahrzehnte dort. Sogar Erstmieter von 1979 waren unter den Teilnehmern der Aktion. Viele fühlten sich schlecht informiert. Deswegen gab es nun ein Treffen, bei denen auch Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes anwesend waren.

„Unsere Stadtplaner kennen die Anregungen und Wünsche, welche die Bürgerinnen und Bürger aufgeschrieben haben. Diese Hinweise spielen eine Rolle bei der weiteren Planung“, sagt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne). Die Verwaltung sei derzeit damit beschäftigt, einen internationalen Ideenwettbewerb vorzubereiten, bei dem sich die Dresdner auch einbringen sollen. „Damit wollen wir noch in diesem Jahr beginnen.“ Dann soll auch die Sanierung des Brunnens an der Ostseite untersucht werden. Dieser wurde von den Hochwassern 2002 und 2013 stark beschädigt, ist seitdem trocken. Ein hoher sechsstelliger Betrag müsste investiert werden, schätzen Mitarbeiter des Umweltamts.

Dass das ein großer Wunsch vieler Anwohner und Händler ist, wurde bei der Postkarten-Aktion klar. Bei der Regatta sollen ab 15 Uhr weitere Anregungen gesammelt werden. Die Papierschiffe dienen gleichzeitig als Fragebogen. 50 Exemplare liegen bereits bei Heber im Büro. Ein ungewöhnlicher Weg der Bürgerbeteiligung.