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Papa, Papa, Kind

Florian und Thomas adoptierten als erstes schwules Paar in Deutschland ein Baby. Ein Hausbesuch nach zehn Jahren.

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© privat

Von Julia Vollmer

Zwei Väter und ihr Sohn. Bis die Familie von Florian Frisch in dieser Konstellation endlich offiziell zusammenleben durfte, war es ein weiter Weg. Florian Frisch und sein Partner haben 2006 als erstes schwules Paar in Deutschland ein Kind adoptiert. Ihre Geschichte beginnt 1999, als sich die Männer kennenlernen.

Inzwischen ist ihr Sohn Tom zehn Jahre alt, geht zur Schule, trifft sich mit Freunden. Offen angefeindet wurden sie bislang noch nicht, blöde Sprüche mussten sie sich nicht anhören. Im Gegenteil: für die Kita kam damals schneller eine Zusage als gedacht. „Zwei Männer, das hatten wir noch nie“, hieß es. Die Familie geht ganz offen mit der Situation um. Tom erzählt seinen Freunden davon, ein Referat in der Schule hat er zum Thema schon gehalten. „Meine Papas sind cool“, sagt Tom, typisch Teenager kurz und trocken. Für ihn waren sie schon immer eine Familie, egal, was auf den Formularen stand. Bei Elternabenden in Kita und Schule gingen beide Männer immer zusammen hin und erzählten von ihrem Männerhaushalt. Über Sprüche wie „Das Kind ist ja trotzdem geschmackvoll angezogen“, schmunzeln sie. Im Gegensatz zu seinen Papas liebt Tom Fußball. Seit Neuestem gehören auch zwei Hasen dazu – Karl und Karlchen.

Die Probleme, die da sind, sind eher die typischen eines adoptierten Kindes. Die Fragen: Wer bin ich? Wo sind meine Wurzeln? geistern in den Köpfen der Kinder herum. Mit drei Jahren hat Tom plötzlich mitten in der Nacht gefragt: „Wo ist meine Mama?“, erzählt Florian. Sie haben gemeinsam Fotos angeschaut und viel mit dem Kind gesprochen. Der Kleine wusste von Anfang an, dass er adoptiert ist.

Der heute 44 Jahre alte Thomas hatte das Thema Nachwuchs für sich abgeschrieben, als er merkte, dass er auf Männer steht. Florian dagegen wollte immer Kinder haben. „Bevor ich Thomas kennenlernte, habe ich mich schon mit einer alleinerziehenden Mutter um deren Kind gekümmert“, erzählt er. Doch er wollte mehr als diese „Scheinverantwortung“. Der Gedanke, ein Kind zu adoptieren, setzte sich fest. 2003 ging das Paar das erste Mal zum Jugendamt, um sich beraten zu lassen. Vier Jahre sei die Durchschnittswartezeit, hieß es dort. Dass das Kind zwei Papas haben würde, spielte für die Mitarbeiter keine Rolle. Professionell und aufgeschlossen seien sie gewesen, erinnert sich der 40-jährige Florian Frisch.

2006 wurden sie dann innerhalb von wenigen Stunden Eltern. Am Morgen kam der Anruf vom Jugendamt – „Wir haben ein Baby für sie – nachmittags hielten sie Tom im Arm. Die Mama des Babys entschied sich für eine Adoption, da sie schon vier Kinder hat. Kontakt haben sie bis heute nicht zu ihr. Innerhalb weniger Stunden kauften sie Wickelkommode und Bett. Als Tom dann endlich da war, macht er es den beiden Männern leicht. Durchwachte Nächte? Kennen sie nicht. Wie sage ich es meinem Chef, dass ich plötzlich Vater bin – kein Problem. Ein Anruf beim Vorgesetzten, und die Elternzeit begann. Er müsse aber erreichbar sein, das war die Bedingung. „Wie oft hielt ich in der einen Hand das Telefon und in der anderen die Windeln“, erinnert sich der Pressesprecher. Acht Wochen lang hätte es sich Toms leibliche Mutter noch anders überlegen können. Jede Mutter darf innerhalb dieser Frist die Adoption widerrufen. Doch sie blieb dabei. „Geben sie den beiden Männern das Baby, sie haben sonst keine Chance“, sagte sie. Erst mal übernahmen sie nur die Pflegschaft. Danach stellten sie einen Adoptionsantrag. Sie durchliefen beide den Prüfungsprozess, obwohl erst mal nur einer adoptieren durfte. Sie warfen eine Münze, Florian gewann. Die Adoption gelang, doch der gesetzliche Vater war zunächst nur Florian. Die beiden Männer heirateten kurz darauf. Die Lebenspartnerschaft ist der Ehe bisher nicht gleichgestellt, ein Recht auf Kinderkrankentage hatte zum Beispiel zunächst nur Florian. Erst 2014 entschied das Bundesverfassungsgericht, das ist diskriminierend. Nun durfte auch Thomas den kleinen Tom adoptieren. Beide stehen jetzt als Papa auf der Geburtsurkunde.