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Panik vor Zecken

Auch wenn es keine Fälle der gefährlichen Hirnhautentzündung im Landkreis Görlitz gibt, wachsen die Ängste vor den Blutsaugern.

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Von Constanze Junghanß

Bereits beim Gedanken an die kleinen Blutsauger schrillen bei vielen Menschen die Alarmglocken: Die Rede ist von Zecken, die gefährliche Krankheiten übertragen können. Im Sommer haben die Parasiten Hochkonjunktur. Und bei manchen Menschen löst ein Zeckenstich Panik aus. Doch ist diese Angst vor den biologisch zur Klasse der Spinnentiere zählenden Achtbeinern tatsächlich begründet?

Der Gemeine Holzbock ist die in Deutschland am häufigsten verbreitete Zecke. Zecken können Krankheiten wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen.
Der Gemeine Holzbock ist die in Deutschland am häufigsten verbreitete Zecke. Zecken können Krankheiten wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. © dpa

Fakt ist, Zecken können Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis – kurz FSME – übertragen. Doch bei Weitem nicht jeder Zeckenstich löst eine dieser Erkrankungen aus. Werden sie allerdings diagnostiziert, dann handelt es sich um meldepflichtige Erkrankungen. Darauf weist das Gesundheitsamt des Landkreises Görlitz, zu dem auch die Regionen Löbau und Zittau zählen, hin. Hygieneinspektorin Heike Dunkel nennt die konkreten Zahlen: „2015 hatten wir 73 Borreliosefälle, in diesem Jahr sind es bisher 37 Fälle.“ Bei der FSME dagegen gab es weder im vergangenen noch in diesem Jahr eine einzige Erkrankung. Deshalb gilt der Kreis laut Robert-Koch-Institut nicht als Zeckengebiet.

Vom Institut gibt es auch keine ausdrückliche Impfempfehlung für die hiesige Region. In seinem jüngsten Bericht zum Thema vom Mai 2016 sind als Risikogebiete in Deutschland Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen und der Südosten Thüringens aufgezählt. Dazu gibt es einzelne Risikogebiete. Aktuell gelten 146 Landkreise im Land als FSME-Risikogebiete. Nur ein einziger Kreis davon befindet sich in Sachsen: Das ist seit 2014 der Vogtlandkreis.

Impfen lassen gegen FSME kann man sich in Löbau und Zittau trotzdem. Die Hygieneinspektorin erklärt: „Sowohl die Hausärzte als auch die Impfstelle im Gesundheitsamt Görlitz bieten entsprechende Impfungen und Beratungen an.“ Das nutzen zum Beispiel einige Patienten bei Dr. Elke Kohl. Sie ist Allgemeinärztin in Zittau. Durchschnittlich zehn Patienten pro Quartal kommen in die Praxis, weil sich nach dem Zeckenbiss eine rote Stelle gebildet hat. Das muss nicht unbedingt ein Hinweis auf Borreliose sein, ist aber auch nicht auszuschließen. „Deshalb ist es wichtig, nach einem Zeckenstich die Einstichstelle noch etwa vier Wochen lang zu beobachten“, sagt die Ärztin. Treten dann Symptome wie solche Rötungen auf, sollten Betroffene auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. Der kann dann per Blutuntersuchung feststellen, ob es sich tatsächlich um die Erkrankung handelt und Gegenmaßnahmen ergreifen.

Jedenfalls ist es nicht notwendig, vor lauter Panik nach einem Zeckenstich gleich das Krankenhaus aufzusuchen. Das bestätigt Lisa Otto, Öffentlichkeitsmitarbeiterin vom Klinikum Oberlausitzer Bergland, und sagt: „Betroffene können den Stich selbst behandeln oder zum Hausarzt gehen.“ Allerdings versorgt das Krankenhaus täglich ein bis vier Patienten, bei denen Zeckenreste aus der Haut entfernt werden. Danach erfolgt die Behandlung weiter über den Hausarzt. „Bisher konnten wir keine Häufung von Zeckenbissen feststellen“, sagt Lisa Otto.

Ausnahmen für die Behandlung im Krankenhaus nach Zeckenbissen sind lediglich am Wochenende möglich. „Wir desinfizieren die Bissstellen fachgerecht und versorgen sie mit speziellen Hautschutzsalben.“ Bevor jedoch der Weg ins Krankenhaus genommen wird, sollte zuerst der kassenärztliche Bereitschaftsdienst konsultiert werden. Durch diverse Medienberichte wären die Menschen beim Thema Zecken mittlerweile völlig verunsichert, sagt die Krankenhaussprecherin.

Anders sieht es aus, wenn sich Zecken- oder Insektenstichwunden entzünden oder Patienten ein bereits geschwächtes Immunsystem haben. Dann sei ärztliche Behandlung dringend notwendig. Das gelte auch für Patienten mit Folgeerkrankungen nach einem Zeckenbiss, die der fachärztlichen Behandlung – gegebenenfalls auch im Krankenhaus – bedürfen. „Die Koordination dieser Behandlung liegt in der Hand des Hausarztes“, betont Frau Otto.

In die Praxis der Niedercunnersdorfer Hausärztin Elke Zietzschmann kommen momentan jede Woche fünf bis sechs Patienten wegen Zeckenstichen. Einerseits, um sich die Blutsauger entfernen zu lassen. Andererseits aber auch, weil sie verdächtige Symptome haben. Die Besorgnis der Menschen bei dem Thema Zecken hätte zugenommen, ist die Erfahrung in der Arztpraxis. Die Impfbereitschaft sei mittlerweile höher, als bei der Grippeschutzimpfung. Dabei sei die Grippeschutzimpfung eigentlich wichtiger.

Im letzten halben Jahr haben sich in der Praxis der Ärztin bis zu 20 Patienten gegen FSME impfen lassen oder Impfauffrischungen gewünscht. Vor allem dann, wenn sie Reisen in die Zeckengebiete planten. Die Grundimmunisierung besteht aus drei Impfdosen. Nach der Erstimpfung erfolgt die zweite nach vier Wochen und Nummer drei nach sechs bis neun Monaten. Langfristige Planung ist also notwendig. Erhebungen, ob ein verstärktes Auftreten von Zecken in der Region zu beobachten ist, werden vom Gesundheitsamt nicht durchgeführt. Fest steht aber: Es gab bisher keine durch Zeckenerkrankungen verursachten Todesfälle. Das bestätigt so auch Kreismitarbeiterin Heike Dunkel.