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Palais Riesch bekommt elegante Fassade

Der Streit am Neumarkt ist beendet. Der Sieger-Entwurf bewegt sich zwischen Gründerzeit und Jugendstil.

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© Visualisierung: CG-Gruppe

Von Lars Kühl

Es hat etwas von „Vorhang auf!“, als Christoph Gröner am Donnerstag den Knopf drückt. Der Siegerentwurf für das Palais Riesch ploppt an der Leinwand des Suitess-Hotels auf. Der Unterschied zum Vorgänger ist eklatant. Aus Strichcode, so wie das Aussehen viele verunglimpft hatten – nach Meinung des Chefs der CG-Gruppe zu Unrecht – wurde etwas Elegantes. Abgesetzter Sockel, deutliche Vorsprünge in der Mitte, rechts und links sowie gediegenere Fassadenfarbe. Das hat etwas von modernem Palaischarakter. Planerische Liebe steckt zudem im Detail, wie zum Beispiel die verschnörkelten Schmiedegitter an den Austritten zeigen.

Platz 2: Den Versuch, unter der modernen Fassade die historische Gestaltung im Putz anzudeuten, unternahmen die Bruno Fioretti Marquez Architekten. Doch zum Sieg fehlte der Jury die Tiefenwirkung.
Platz 2: Den Versuch, unter der modernen Fassade die historische Gestaltung im Putz anzudeuten, unternahmen die Bruno Fioretti Marquez Architekten. Doch zum Sieg fehlte der Jury die Tiefenwirkung. © Visualisierung: CG-Gruppe
Platz 3: Weinmiller-Architekten wollten das Palais Riesch mit möglichst viel historischer Wirkung wiedererrichten. Die Jury war angetan. Sie sprach von einer knappen Entscheidung – es reichte nicht ganz.
Platz 3: Weinmiller-Architekten wollten das Palais Riesch mit möglichst viel historischer Wirkung wiedererrichten. Die Jury war angetan. Sie sprach von einer knappen Entscheidung – es reichte nicht ganz. © Visualisierung: CG-Gruppe

Der Kompromiss, zeitgenössische Anforderungen an Raumhöhen mit historischen Anleihen zu verknüpfen, scheint tatsächlich geglückt. Gefunden hat ihn Tobias Nöfer, Architekt aus Berlin. „Mir war wichtig, etwas Authentisches zu schaffen.“ Die früheren Grundstrukturen fortführen, ein großes Mansarddach, viele Öffnungen, „aber auch die Handwerklichkeit zeigen, die man aus dem 18. Jahrhundert kennt“. Schon für seine Entwürfe der „Wettiner Höfe“ in der Wilsdruffer Vorstadt hatte er in Dresden viel Lob eingeheimst.

Gröner ist damit seinem Ziel ein ganzes Stück nähergekommen. Denn das Palais Riesch gehört zu seinem Dresdner Prestigeobjekt, dem Quartier Hoym im Anschluss an das Polizeipräsidium zwischen Landhaus- und Rampischer Straße, einer der letzten großen Baulücken am Neumarkt. Gelingt es, öffnen sich weitere Türen. Denn der Großinvestor aus Berlin hat hier noch einiges vor: „Ich kann mir vorstellen, viel mehr zu machen“, sagt er und nennt 2 000 bis 3 000 Wohnungen. Der Anfang ist mit Projekten am Post- und Palaisplatz sowie in der Friedrichstadt gemacht. „Denn ich mag die Stadt.“ Eine Aussage ganz nach dem Gusto der Einheimischen. Die hören nur allzu gern, wie toll ihr Dresden ist.

Mit Recht, denn das rege Baugeschehen nach der Wende ist nicht nur ein Aufblühen, sondern heilt zudem gerissene Wunden – ob als Kriegsfolge oder während der Parteidiktatur. Nirgends glänzt und barockt es inzwischen wieder so wie rund um den Neumarkt. Altes Dresden ist wieder aufgelebt, aufgefüllt mit Neuem. Aber auch nirgends schauen die Einwohner so genau hin, wie an diesem geschichtsbeladenen Platz. Dies musste Christoph Gröner bereits erleben, dessen Projekte, verteilt in Deutschland, häufig dreistellige Millionenbeträge kosten. Die gut 130 Millionen Euro für das Quartier Hoym sind aber auch für seine Verhältnisse eine Hausnummer. Baustart soll Anfang nächsten Jahres sein, die ersten Mieter könnten planmäßig kurz vor Weihnachten 2019 einziehen.

Als Gröner antrat, war klar, dass das Palais Hoym an der Landhausstraße als Leitbau des großen Vierseithofes original rekonstruiert werden muss. Eigentlich hatte die CG-Gruppe das auch mit dem Palais Riesch vor. Allerdings waren die früheren Raumhöhen bei einer heutigen Nutzung unmöglich. Es gab deshalb den ersten Fassadenwettbewerb mit einem modernen Siegerentwurf. Der wurde sowohl im Bauausschuss als auch in der breiten Öffentlichkeit abgelehnt. „Er war nicht konsensfähig und hat es nicht geschafft, die Wunde zu schließen“, räumt Gröner ein. „Man kann sich auch mal irren.“ Ein Streit entbrannte, wie die Fassade des Riesch aussehen soll. Die CG-Gruppe rief freiwillig eine zweite Runde aus, an der sich zehn Architekturbüros beteiligten. In der Jury saßen neben der Gestaltungskommission „Kulturhistorisches Zentrum“ auch Mitglieder des Bauausschusses, Stadtplanungsamtsleiter Stefan Szuggat und eben Gröner. Nöfer Architekten erhielten in dem anonymen Verfahren elf von 14 Stimmen. „Stilistisch bewegt sich die Fassade eher zwischen Gründerzeit und Jugendstil, was durchaus der architektonischen Vielfalt in diesem Gebiet vor der Zerstörung entsprach“, heißt es in der Begründung. Dazu kommt, dass sich die Gestaltung im Hof fortsetzt.

Wobei besonders auch die zweit- und drittplatzierten Entwürfe von Gröner gelobt wurden. Bruno Fioretti Marquez Architekten setzten darauf, die Formen des alten Palais im Putzrelief einzuarbeiten und darüber die moderne Gestaltung nach heutigen Ansprüchen zu legen. „Sehr interessant“, findet Gröner. Was aber fehlte, war eine Tiefenwirkung. Dem historischen Palais kam der Vorschlag von Weinmiller Architekten am nächsten.

Geworden ist es aber weder ein historischer noch ein moderner, sondern ein zeitgenössischer, wie Sieger Nöfer betont. Während Grüne und Linke den Entwurf in ersten Stellungnahmen loben, hält sich die Gesellschaft Historischer Neumarkt, die mit Argusaugen über die Entwicklung auf Dresdens herausragendstem Platz wacht und ein Verfechter einer historischen Rekonstruktion des Palais Riesch war, noch bedeckt. Der Vorstand und das Kuratorium werden erst in einer außerordentlichen Sitzung darüber beraten. Dabei wurde das Architekturbüro Nöfer auf ihren Wunsch hin in den Wettbewerb mit aufgenommen.