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Packer statt Akademiker

Durch eine EU-Förderung hat Kai Rahnfeld wieder Arbeit. Auch Arbeitgeber profitieren von dem Programm.

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© René Meinig

Von Bettina Klemm

Kaffeebohnen abpacken und für den Versand vorbereiten – seit August ist das der Job von Kai Rahnfeld. Der 43-Jährige hat Politikwissenschaften, Philosophie und Geschichte an der TU Dresden studiert, insgesamt zwölf Semester. Nur einen Abschluss machte er nie. „Ich habe dann sehr lange bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet und war anschließend sieben Jahre arbeitslos“, erzählt er. Rahnfeld arbeitet gemeinsam mit Steffen Hoffmann. Der 50-Jährige ist Fleischer von Beruf, hat dann umgeschult und wurde Maurer. Zuletzt hielt er sich mit einem Minijob als Raumgestalter über Wasser. „Ratlos saß ich bei meinem Arbeitsberater im Jobcenter“, erzählt er. Dann sei Karola Bräuer dazugekommen und machte das jetzige Angebot. „Kaffeerösterei, das ist etwas Besonderes, ich habe mich gefreut.“ Keine zwei Tage später hatte Hoffmann sein Vorstellungsgespräch. Kurz vor seinem 50. Geburtstag fing er bei der K + M Kaffee und Maschinen GmbH in der Meschwitzstraße an. Nun hofft er, dort bis zur Rente einen sicheren Job gefunden zu haben.

Geschäftsführer Stefan Meyer-Götz erinnert sich gut. Als kleiner mittelständischer Unternehmer haben er und sein Geschäftsführerkollege Karsten Lehmann in der Regel eine 70-Stunden-Woche. Sie müssten viel malochen, um die entsprechende Kohle zu verdienen. Da habe er eigentlich null Bock gehabt, auch noch eine Frau vom Jobcenter anzuhören. Doch der sehr feste Händedruck von Karola Bräuer, ihr Angebot und besonders die Beharrlichkeit haben ihn überzeugt. „Sie hat alles knallhart vorbereitet, uns sogar schon ausgefüllte Formulare zur Unterschrift vorgelegt. Auch um die Betreuung in der Einarbeitungszeit kümmert sich das Jobcenter“, sagt Meyer-Götz. Wahrscheinlich hätte er die Bewerbungen seiner neuen Mitarbeiter niemals wahrgenommen. Doch nun sei er froh, mit den Herren Rahnfeld und Hoffmann Top-Mitarbeiter für das 22-köpfige Team gefunden zu haben.

Von ähnlich guten Erfahrungen kann auch Tatjana Locher berichten. Vor zehn Jahren gründete sie die Firma „Top-Reinigung“. Mit dem guten Namen, den sie sich erarbeitete, wuchs auch die Anzahl der Kunden. „Doch trotz überdurchschnittlicher Bezahlung hatte ich große Probleme, passende Mitarbeiter zu finden“, sagt sie. Mit Jobsuchenden, die von der Arbeitsagentur vermittelt wurden, habe sie schlechte Erfahrungen gemacht, diese seien meist unmotiviert gewesen. So empfand auch Tatjana Locher das Angebot des Jobcenters als einen Segen. Über ihren Berater Andreas Martin hat sie bereits zwei Mitarbeiterinnen gefunden. Nun hofft sie auch noch auf einen Mann mit Muckis und Führerschein, da sie neue schwere Technik kaufen wolle. „Das Förderprogramm hilft mir, neue Mitarbeiter zu schulen, ohne dabei finanzielle Verluste hinnehmen zu müssen“, erklärt die Unternehmerin. Durch das begleitende Coaching seien die Mitarbeiter gut motiviert und wollten bei der Firma bleiben.

Solche Einschätzungen hört Jan Pratzka gern. Auch wenn die Arbeitslosenzahlen sinken, bereiten dem Geschäftsführer des Jobcenters Dresden besonders die Langzeitarbeitslosen Sorgen. Fast die Hälfte seiner derzeit 14 529 „Kunden“ sind davon betroffen. Für diese gibt es seit dem vergangenen Jahr ein Projekt zum Wiedereinstieg, das vom Europäischen Sozialfonds gefördert wird. „Wir haben darüber jetzt 65 Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung gebracht. Drei Verträge sind in Vorbereitung. Bis Mitte nächsten Jahres sollen es 80 sein“, sagt Pratzka. Seine Berater wie Karola Bräuer und Andreas Martin arbeiteten mit viel Herzblut daran. Das Projekt betrifft Langzeitarbeitslose, die über keinen oder keinen verwertbaren Berufsabschluss verfügen und älter als 35 Jahre sind. Es geht jeweils über zwei Jahre. Im ersten Halbjahr zahlt das Jobcenter 75 Prozent des Lohnes, im zweiten sind es 50 und im dritten Halbjahr 25 Prozent. Die Langzeitarbeitslosen werden für den Job fit gemacht, bei Bedarf arbeiten sie am Anfang auch weniger als 35 Stunden in der Woche.

Kaffee-Packer Steffen Hoffmann hatte mit 30 Stunden begonnen, aber schnell um eine Vollbeschäftigung gebeten.