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Ostrock-Gesichter und eine Stasiakte

Die Fans des sächsischen Art-Rocks blickten im Dixiebahnhof hinter die Kulissen der Musikgeschichte.

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© Bernd Goldammer

Von Bernd Goldammer

Nichts geht mehr, unser Dixiebahnhofsaal ist restlos ausverkauft, hieß es Sonnabend in Weixdorf. Das 2001 erschienene Buch des RBB-Musikredakteurs und Ostrockexperten Jürgen Balitzki „2001 Geschichten vom Sachsendreier“ stand im Mittelpunkt der einzigartigen Veranstaltung. Dazu wurden die edelsten sächsischen Schöpfungen der 1970er und 1980er Jahre aufgeführt. Dafür waren Werther Lohse (Lift) und Stefan Trepte( Electra) angereist. Die beiden Sänger arbeiteten im Laufe ihres musikalischen Werdeganges auch mit Reinhard Fißler (Stern Meißen) zusammen.

Und diese drei markanten Artrock-Gesichter waren Sonnabend auf der Weixdorfer Bühne zu sehen. Reinhard Fißler hatte seine Grüße als Video vom Krankenbett aufzeichnen lassen. Electra-Keyboarder Andreas Leuschner untermalte die denkwürdige Aufführung musikalisch. Als er 1985 zu Electra kam, waren alle drei Bands im ostdeutschen Rockgeschehen bereits ganz weit oben angekommen. Der Weixdorfer Abend begann mit einem Auszug aus der Stasi Akte der Bands. Für Menschen, die diese Zeit bewusst miterlebt haben, war der Akzent des Berichtes einfach nur peinlich.

Der kulturelle Horizont dieser Einschätzung des Ministeriums für Staatssicherheit war erschreckend niedrig. Und so mancher Besucher wusste genau: So war es. Andererseits hatten gerade diese drei Bands viele Fans. Wo immer sie hinkamen. Die Säle waren voll. Ihr Bekanntheitsgrad entwickelte sich auf Tausenden Konzerten. Wenn sie nicht im Studio produzierten oder im Ausland tourten, waren Sachsens Artrocker das ganze Jahr über in der DDR unterwegs.

DDR-Musik mit erstklassigen Texten

Sie kannten die Säle von Rügen bis zum Thüringer Wald. Die DDR-Kulturbürokratie der 1970er Jahre war mit der entstandenen Situation deutlich überfordert. „Revolutionäre Wachsamkeit“ nannte man jenes dauerhafte und zutiefst kleinbürgerliche Auftreten der DDR-Sicherheitsorgane. So manchen hoch talentierten Ost-Rocker wird es auch verängstigt haben, dass man damals mit Spielverboten schnell bei der Hand war. Doch in damaligen Studios entstand aus erstklassigen Texten und großartiger Musik etwas mit dem sich die DDR-Jugend wirklich identifizierte. So stark, dass sie die inzwischen zu Rock-Rentnern gewordenen Musiker heute immer noch gerne hören und sehen.

Electra, Lift und auch Stern Meißen füllen Säle. „Das war unsere Zeit, wir sind mit den Inhalten dieser Musik aufgewachsen“, war in der Pause von Hans-Jürgen Dolze aus Ottendorf Okrilla zu erfahren. Die „Geschichten vom Sachsendreier“ kreisten um die Entstehungszeit von Liedern wie „Tritt ein in den Dom“ und „Die sixtinische Madonna“. Songs, aus denen die enge Verbundenheit der Bands zu Dresden klar und deutlich herauszuhören ist. „Bei diesen Liedern bekomme ich immer noch eine Gänsehaut“, beschreibt Edeltraud Maschek ihr Gefühl. Und dazwischen immer wieder Sachsendreier-Begebenheiten, in denen es um DDR-Zeiten ging. Mocca-Edel war Lieblingsgetränk vieler Musiker.

Wie Stefan Trepte erzählte, verweigert er sich heute allen Schnapssorten dieser Welt. Die Erinnerungen dieser Zeiten sind längst in seinen Liedern aufgegangen. „Kampf um den Südpol“, „Was soll aus mir werden“, „Die Sage“ gehören dazu. Auch beliebte Songs der Stern Combo Meißen wurden von vielen Besuchern mitgesungen. Am Schluss gab es riesigen Beifall. Für das Buch genauso wie für die Künstler.