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„Ostmarken“ waren gestern

Man kennt sie, man liebt sie? Mit dieser Strategie verkaufen Firmen bis heute frühere DDR-Klassiker - vom Spülmittel bis zum Erdnussflip. Doch das zieht immer weniger.

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© MDR

Von Sven Heitkamp

Claudia Heller kümmert sich bei Dr. Quendt in Dresden ums Marketing, sie muss klare Botschaften verkünden können, und eine davon lautet: „Der Begriff Ost-Produkt ist out.“ Claudia Heller weiß, wovon sie spricht: Der Dresdner Christstollen aus dem Hause Dr. Quendt ist inzwischen ein nationaler Klassiker, etwa jeder zweite Dresdener Christstollen kommt heute aus den Öfen des Mittelständlers. Auch das „Russisch Brot“ steht in den Supermarktregalen, muss sich aber gegen die Konkurrenz vom westdeutschen Backriesen Bahlsen behaupten. „Wir setzen im Marketing stark auf die Region, wollen uns aber auch mit unserem Süßgebäck künftig stärker als überregionale Marke behaupten“, sagt Heller. „Mit einem Image als Ost-Produkt können wir bei den Kunden nicht mehr punkten.“

Die Strategie passt genau zu den Aussagen der siebten und nun auch letzten West-Ost-Marken-Studie, die die MDR-Werbeabteilung gestern in Leipzig vorstellte. Ihre Botschaft: Ostmarken waren gestern, heute zählt die Region. „Aus vielen ostdeutschen Marken sind starke regionale und selbstbewusste Marken geworden“, betonte der Geschäftsführer des Instituts für Marketing- und Kommunikationsforschung (IMK), Sören Schiller. Kaum eines der traditionellen ostdeutschen Markenunternehmen verfolge heute noch eine echte Ost-Strategie, heißt es in der Studie. Ein großer Teil der Marken sei in nur einem Bundesland oder gegebenenfalls noch in angrenzenden Regionen stark. Zudem ließen sich die heimischen Marken bei der Bekanntheit klar einteilen – in nationale und in eher regionale Marken.

Allerdings haben nur einige wenige Marken aus dem Osten in Westdeutschland eine spürbare Popularität. Die Spitzenreiter unter den Außenseitern der Ostmarken haben dabei Alkohol im Blut: Rotkäppchen kennen heute 81 Prozent der Menschen in Westdeutschland, gefolgt von großen „Fernseh-Bieren“ wie Radeberger und Hasseröder, sowie Köstritzer und Wernesgrüner Bier. Erst dann folgen in der Nationalmannschaft Bautzner Senf, Spee Waschmittel, Rotkäppchen Käse, Florena Kosmetik und Leckermäulchen Milch-Quark-Speisen. Im Osten schieben sich noch Vita-Cola und Halloren-Kugeln dazwischen.

Unterschiede schwinden

„Die Länder wachsen weiter zusammen – zumindest bei Einstellungen zu Konsum, Bildung oder Anforderungen an Werbung“, sagt Marktforscher Schiller. Strukturbedingte Unterschiede wie geringere Haushaltseinkommen und weniger Kaufkraft blieben zwar auch 26 Jahre nach der Wiedervereinigung noch bestehen. Doch viele Unterschiede seien heute eher historisch gewachsen, als durch Einstellungen begründet. Spürbar ist das zum Beispiel an den Einkaufstagen: Im Osten sind der Donnerstag und der Freitag wichtiger, im Westen ist es der Samstag. Er selbst, erzählte Schiller, könne sich gut daran erinnern, wie er früher immer donnerstags mit der Mutter Großeinkauf machen musste. Hüben wie drüben erledigen indes gleichermaßen gut ein Drittel der Menschen einmal die Woche den Einkauf und ein Viertel zweimal die Woche.

Das Schwinden von Ost-West-Unterschieden hat indes noch eine andere Konsequenz: Die traditionellen Käufer von Produkten aus Ostdeutschland werden weniger. Viele Produkte, die bei Älteren noch als „gesetzt“ gelten, sind es beim Nachwuchs nicht mehr. „Der Patriotismus für die heimischen Marken ist zwar ungebrochen. Aber er gilt nicht mehr uneingeschränkt für die junge Zielgruppe bis 29 Jahre“, so Schiller. Allerdings gibt es Hoffnung: Heimische Marken würden für Regionalität, Kult, Ehrlichkeit und Tradition stehen – und das sind wichtige Verkaufsargumente bei jungen Leuten. „Vita Cola, Leckermäulchen, Sternburg Bier und Tilmans zeigen, dass und wie Jüngere gleichermaßen angesprochen werden können.“ Der Verkaufspreis sei heute gar nicht mehr das entscheidende Argument.

Das Institut für Marketing- und Kommunikationsforschung hatte zusammen mit den MDR-Werbeexperten diesen Sommer in einer repräsentativen Umfrage 2 000 Verbraucher im Osten und 1 000 im Westen zur Bekanntheit und zum Image von 67 Marken befragt. Zudem wurden Gespräche in Unternehmen und Agenturen geführt. In Zukunft wird es aber auch die West-Ost-Markenstudie, die seit 2010 einmal jährlich erhoben wurde, nicht mehr in der bisherigen Form geben. „Wir werden mehr in die Regionen gehen und uns stärker auf Mitteldeutschland konzentrieren“, kündigte Reinhard Hild, Verkaufschef der MDR-Werbung, an.

Erstmals hat sich die West-Ost-Studie auch mit der Mobilität der Deutschen beschäftigt. Überraschendes Ergebnis dabei: Im Westen spielt das eigene Auto auf dem Weg zur Arbeit eine größere Rolle. Im Westen fahren 62 Prozent mit dem Auto, im Osten nur 55 Prozent. Hier werden der öffentliche Nahverkehr und das Fahrrad spürbar häufiger genutzt. Der Arbeitsweg dauert dafür statistisch im Osten auch ein klein wenig länger als im Westen: 29 statt 27 Minuten. Die Bekanntheit der großen Automarken ist dabei nahezu identisch. Mit einer Ausnahme: Dem einstmals tschechischen Autohersteller Skoda, der heute zur Mutter VW gehört. Der ist im Osten noch immer deutlich bekannter und beliebter.

Hinweis: In einer früheren Version dises Artikels stand, dass etwa jeder zweite Stollen in Deutschland aus dem Hause Dr. Quendt stammt. Das ist falsch. Lediglich etwa die Hälfte der Dresdner Christstollen kommt von Dr. Quendt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.