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Osterüberraschung aus dem Radio

Das private Großenhainer Museum hatte zum Saisonstart viele Gäste – auch Insider.

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© Archiv/SZ

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Da staunt die Weißiger Orts-Chronistin Annelies Bennewitz bei ihrem ersten Besuch in der Rundfunk-Ausstellung in der Großenhainer Hermannstraße: „So viele Göbbelsschnauzen und Volksempfänger aus den 30er Jahren, dabei habe ich selbst mit erlebt“, sagt die Seniorin, „wie sie alle eingezogen wurden.“ Es war nach Kriegsende, als die Rote Armee auch in Weißig verlangte, dass alle Geräte abgegeben werden. „Meine Mutter hatte unser Radio bei der Flucht versteckt“, so Annelies Bennewitz. Weil die Nachbarn ihr Angst machten, hat sie das Radio dann doch abgegeben.

Es drohte die Todesstrafe. Das war am 10. Mai 1945, erinnert sie sich noch genau. Die Russen haben die Empfänger dann einfach auf einen Lkw geschmissen. Kurt Kralik vom Radiomuseum weiß genau warum. Im Norden Deutschlands gab es nach dem Krieg noch einen Nazisender. Man wollte verhindern, dass die Leute das hören. Umso erstaunlicher ist es, dass die Großenhainer Sammler an die 30 Geräte zusammengetragen haben. Einen Empfänger von 1938 hat Kralik aus Einzelteilen mühsam aufgebaut. Das Wertvollste ist der Stoff vor dem Lautsprecher, den gibt’s kaum noch Original. Richtig was her macht der große schwarze Trichter für die Radios ohne integrierten Lautsprecher.

Erfreulich viele Besucher kamen am Oster-Sonnabend in die Hermannstraße ins Gebäude der ehemaligen Waagenfabrik Hoffmann. Die zehn Mitstreiter der IG Radiomuseum haben für ihren Saisonauftakt sogar ein Rundfunk-Gerät aus Großenhainer Produktion flottgemacht, hergestellt bei Radio Sachse in der Schlossstraße in den Fünfzigern. Nur wenige Geräte wurden hier produziert. Das Radio spielt Propagandasprüche von Ulbricht und Honecker. Dazu sind Fotos auf einem Display zu sehen. „Wir wollen zeigen, wie der Rundfunk ideologisch funktionierte“, meint Kurt Kralik. Dafür haben er und seine Mitstreiter wie Egon Weller aus Riesa oder Volker Pinkert aus Skassa Geräte aufgebaut und repariert.

Es gibt sogar noch einen Originalzettel aus der früheren DDR-Zeit, der vor dem Hören ausländischer Feindsender wie den BBC warnt. Solche Raffinessen finden viele Fans. André Kempe ist sogar aus Frauenstein im Erzgebirge angereist. Er hat dort einen Rundfunk und Fernsehladen, sammelt und bastelt selbst. Mit den Großenhainer Radio-Freaks will er weiter Kontakt halten. Denn auch, wer alte Radios heutzutage noch funktionstüchtig bekommt, hat ein Problem. Auf Mittel- und Kurzwelle gibt es keine analogen Sender mehr. Rundfunk ist heute nur digital oder über UKW-Frequenzen zu empfangen.

Die Großenhainer haben sich gekümmert. Über ihren Dachverband, die Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Rundfunkwesens, wollen sie ihre Geräte bluetoothfähig machen, um Digitalfunk empfangen zu können. Doch schon in den Kindertagen des Radios war man ziemlich modern, so Annelies Bennewitz. Sie erinnert sich an junge Männer aus ihrer Kinderzeit, die Sendungen mit Kopfhörer genossen.