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Opfer hatte keine Chance

Vor dem Landgericht berichtet die Tochter von aggressivem Verhalten des Angeklagten. Der erschoss in Rossau seine von ihm getrennt lebende Frau.

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Von Jan Leissner

Die 39-jährige Frau, die am Pfingstmontag im Rossauer Ortsteil Seifersbach erschossen worden ist, hatte keine Überlebenschance. Das geht aus der Aussage eines Gutachters hervor, der gestern vor dem Landgericht Chemnitz zu dem Fall gehört wurde. Demnach sei die junge Frau von hinten in den Rücken getroffen worden und hätte angesichts der schweren Verletzungen danach maximal eine Minute überleben können. Rettungskräfte hatten noch am Tatort versucht, die Frau zu reanimieren – erfolglos. Laut Anklage und übereinstimmenden Zeugenaussagen hatte der aus Hessen stammende Ehemann der 39-Jährigen, Rolf W., seine von ihm getrennt lebende Frau vor den Augen ihrer Eltern und der vierjährigen Tochter vor dem Elternhaus in Seifersbach erschossen. Ihre Mutter wollte der Tochter zu Hilfe eilen. Da traf auch sie ein Schuss ins Bein. Ihr Mann, der vom Haus aus keinen Notruf absetzen konnte, weil der Täter die Kabel aus der Wand gerissen hatte, flüchtete zur Nachbarin und alarmierte von dort die Polizei, die mit einem Großaufgebot angerückt war. Rolf W. feuerte daraufhin auf ein Einsatzfahrzeug. Erst nach reichlich 20 Stunden konnte der Flüchtige von Spezialkräften der Polizei in Thüringen gestellt werden.

Im Gegensatz zum nüchternen Bericht des Rechtsmediziners am Landgericht Chemnitz stand gestern die emotionsgeladene Aussage einer der beiden erwachsenen Töchter des Angeklagten aus dessen erster Ehe. Sie berichtete vom aggressiven Verhalten des 53-Jährigen im Zusammenhang mit der Trennung von seiner damaligen Frau. Die hatte mithilfe der Tochter von einer Affäre des Mannes erfahren und ihn zur Rede gestellt. In der Folge habe der Vater seine Tochter damals auch geschlagen. Trotzdem wohnte sie später vorübergehend wieder bei ihm. „Er war nicht immer nur schlecht, hat mir auch geholfen“, so die 29-Jährige.

Vor dem Landgericht wurden gestern auch Bewohner des 700-Seelen-Dorfes gehört, vor deren Augen sich das Verbrechen abgespielt hatte. Einige hatten die dramatischen Szenen mit Kameras festgehalten. Eine Nachbarin hatte Fotos, die kurz vor der Tat aufgenommen wurden, an ein Boulevardblatt weitergegeben, was der Staatsanwalt kritisierte. Am Freitag wird ein Urteil im Prozess gegen den 53-Jährigen erwartet. Die Anklage lautet auf Totschlag und versuchten Totschlag. (FP)