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Operation Rot-Rot-Grün

Wie die zweite und dritte Reihe von SPD, Grünen und Linkspartei Angela Merkel aus dem Kanzleramt bringen wollen.

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© Mario Lars

Von Peter Heimann, Berlin

Gregor Gysi erzählt dieser Tage hier und da eine kleine Geschichte, die so einfach scheint, dass sie auch fürs Kinderfernsehen geeignet wäre. SPD und CDU seien sich mittlerweile viel zu ähnlich: „Wenn Sie auf der Straße die Leute fragen und denen mehr als zwei Unterschiede einfallen, dann ist das ein Glücksfall.“ Kanzlerin Angela Merkel habe ihre CDU „sozialdemokratisiert“ und SPD-Chef Sigmar Gabriel habe mit seiner Partei genau das Gegenteil getan.

Dabei, so Welterklärer Gysi, sei es Aufgabe der CDU, den konservativen Flügel der Wähler wieder einzufangen. Dafür aber müsse die Partei selbst erst wieder konservativ werden: Und das, so betont der linke Ex-Fraktionsvorsitzende, könne sie nur in der Opposition: „Die CDU muss Oppositionspartei werden!“ Was aber anstelle der Großen Koalition? Nach der Abgeordnetenhaus-Wahl in Berlin deuten alle Zeichen auf eine Koalition zwischen SPD, Linkspartei und den Grünen – ein Konzept, das plötzlich wieder als Machtoption auch für den Bund ins Gespräch kommt.

Einige Politiker aus der zweiten und dritten Reihe wollen jetzt Schwung in die noch sehr theoretischen Möglichkeit bringen und in der verbliebenen Zeit bis zur Wahl im Herbst 2017 ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis vorbereiten. Unter dem Motto „Trialog für eine progressive Politik“ laden jeweils drei Parlamentarier von SPD Grünen und Linken jeweils um die 30 Abgeordnete ihrer Fraktionen zu einem ersten Meinungsaustausch ein. Zu den Einladern gehören die Vize-Fraktionschefs Axel Schäfer (SPD), Katja Dörner (Grüne), Caren Lay und Jan Korte (Linke). Das „Impulsreferat“, steht in der Einladung, werde der Sozialphilosoph Prof. Oskar Negt halten. Weitere Treffen sind geplant. „Wir wollen den rot-rot-grünen Dialog auf eine höhere Ebene heben“, sagt einer der Organisatoren.

„Es ist an der Zeit“

„Es ist an der Zeit“, heißt es in der Einladung : „Wir sind viele und wir müssen miteinander reden. Deutschland braucht neue Zukunftsentwürfe und 2017 eine progressive Regierung.“ Es gehe um die Lösung von Problemen auch durch parlamentarische Macht. „Wir in der SPD, bei Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke können eine gesellschaftliche und politische Mehrheit werden.“ Dazu müsse man sich verstehen und verständigen, um voranzukommen. „Wir wollen gemeinsam Verantwortung übernehmen.“ Die Fraktionschefs aller drei Parteien wissen Bescheid – und haben wenigstens nichts prinzipiell dagegen.

Das war vor ein paar Jahren noch ganz anders. Im Sommer 2008 raunzte der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck die jungen Bundestagsabgeordneten Sönke Rix und Frank Schwabe sowie einige Fraktionskollegen vor versammelter Mannschaft an: Was ihnen einfiele, sich mit Politikern der Linkspartei zu treffen.

Auch damals regierte die SPD in einer Großen Koalition, die Grünen machten Opposition – und die Linke galt beiden offiziell als kein Partner. Wenn jüngere Abgeordnete der drei Parteien dennoch zusammenkamen, benutzten manche aus Vorsicht lieber ihre private als die offizielle Bundestags-E-Mail-Adresse, um sich zu verabreden.

Inzwischen gehört solche Geheimniskrämerei der Vergangenheit an. Längst trifft sich auch das Führungspersonal der drei Parteien, wenn es auch noch nicht so selbstverständlich ist wie zwischen anderen politischen Partnern. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch versteht sich gut mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, seine Co-Chefin Sahra Wagenknecht war schon mal frühstücken mit ihrem SPD-Kollegen Thomas Oppermann. Andrea Nahles will auch mit ihr reden. Und der grüne Fraktionschef Anton Hofreiter spricht sowieso mit allen.

Gespräche zwischen einzelnen Abgeordneten der drei Parteien sind schon einige Zeit nichts Ungewöhnliches mehr. Im „Walden“ im Prenzlauer Berg trafen sich seit 2008 Politiker von SPD und Linken, kamen auch Grüne dazu. Sie redeten über Gemeinsamkeiten und Trennendes. Es war ein Kennenlernen und Abtasten. Es sind vor allem junge Politiker aus dem Bundestagsumfeld, nicht die allererste Garde in ihren Parteien, aber solche mit Ambitionen. Von der SPD ist auch Angela Marquardt dabei, früher Vizechefin der PDS.

Etwa ein Dutzend Parlamentarier und Funktionäre nehmen regelmäßig teil.

Aber das Treffen am 18. Oktober besitzt eine neue Qualität: Nicht nur laden erstmals Funktionsträger der Fraktionen eine große Zahl von Abgeordneten ein. Bei der SPD sollen auch Vertreter der pragmatischen Netzwerker und des konservativen Seeheimer Kreises teilnehmen. Auf einem anderen Blatt steht freilich, wie realistisch ein solches Dreierbündnis überhaupt ist. Derzeit hätte es keine Mehrheit.