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Oma ist wieder zu Hause

Elisabeth Henschel kann bei ihrer Familie statt im Heim leben – auch, weil es gelungen ist, die Intensivpflege für die 92-Jährige zu organisieren.

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© Sebastian Schultz

Von Kathrin Schade

Lichtensee. Für Eva Maria Pietzsch ist schon Weihnachten. Denn ihr größter Wunsch ging jetzt in Erfüllung: Sie weiß nun ihre pflegebedürftige Mutter Elisabeth endlich wieder zu Hause, liebevoll, aber vor allem fachgerecht umsorgt und das rund um die Uhr. Heute könne sie wieder lachen und nach vorne schauen.

Noch vor drei Wochen sah das ganz anders aus. „Da war ich nahe dran zu verzweifeln“, sagt die 58-Jährige. Sie wandte sich an die Sächsische Zeitung, bat um Hilfe, schilderte ihre Sorgen und Nöte, die sie bei der monatelangen Suche nach Fachpersonal für die häusliche Intensivpflege ihrer Mutter erfahren musste. Dass die 92-Jährige ihren Lebensabend in einem Heim verbringen soll, das kam sowohl für Eva Maria Pietzsch als auch für die Seniorin nicht infrage. „Mutti wollte nach der schweren Operation im Juli wieder zu uns nach Hause. Und ihr diesen Wunsch zu erfüllen, das war ich ihr schuldig.“ Doch das dies so schwer werden würde, damit hatte die Frau aus Lichtensee nicht gerechnet. Die SZ berichtete darüber.

„Dieser Artikel hat so einiges ins Rollen gebracht und ist letztlich sogar mit Erfolg gekrönt worden“, sagt Matthias Kadolowski, Geschäftsführer der M & M Intensivpflegedienst GmbH in Herzberg, mit der Eva Maria Pietzsch seit August ständig in Kontakt ist. Es habe daraufhin zahlreiche Anfragen und Bewerbungen gegeben. „Drei Neueinstellungen können wir bereits verzeichnen“, so Kadolowski. Damit habe man nicht nur das häusliche Pflegeteam für Familie Pietzsch komplettieren können, sondern auch noch ein weiteres für einen ebenso dringenden Pflegefall.

Seit dem 4. Dezember lebt Elisabeth Henschel wieder bei der Familie auf dem Vier-Generationen-Hof in Lichtensee. In einer eigens für sie modern ausgebauten und vor allem behindertengerechten Wohnung. „Ich bin meiner Familie, vor allem Schwiegersohn Daniel, so dankbar“, sagt Eva Marie Pietzsch. Es sei bewundernswert, was sie in so kurzer Zeit und stets nach ihrer Arbeit aus dem alten Nebengebäude gezaubert haben: das gemütliche Zimmer für die Oma, die kleine Küche für das Pflegepersonal, das schmucke Bad mit Dusche und WC – alles barrierefrei. Stolz und Anerkennung klingen aus jedem dieser Worte deutlich heraus. Auch mit der AOK-Pflegekasse Riesa weiß sie einen verlässlichen Partner an ihrer Seite, betont sie.

„Wir haben hier Arbeitsbedingungen, von denen man als Pfleger sonst nur träumen kann“, lobt Schwester Katja Lange. Die junge Frau gehört zum Pflegequartett, welches Elisabeth Henschel rund um die Uhr betreut. Eine eigene bequeme Couch für den Nachtdienst, kostenlose Speisen und Getränke, freies WLAN, ein Tablet, einen Fernseher, dazu Kopfhörer ... All das zur Verfügung zu stellen, dazu sei die Familie gar nicht verpflichtet. Die 38-Jährige weiß, wovon sie spricht. Hat sie doch einige Zeit als Pflegehelferin in einem Großenhainer Heim gearbeitet. „Ständig saß einem der Zeitdruck im Nacken. Mit einem würdevollen Umgang hatte das oftmals nichts mehr zu tun“, erinnert sich die Gröditzerin nur ungern daran. Sie habe es jedenfalls nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren können und deshalb gekündigt. Setzte sich sogar noch einmal auf die Schulbank und ist seit August kein Pflegehelfer mehr, sondern eine Pflegefachkraft.

Auch sie habe den SZ-Beitrag gelesen und sich daraufhin beworben. Und es hat geklappt. „Ich glaube, diese Branche ist meine Berufung, da ich schon immer ein Helfersyndrom hatte“, sagt Katja Lange und lacht. Die häusliche Intensivpflege sowieso. Schließlich habe sie da nur einen Pflegebedürftigen zu betreuen, auf dessen Wünsche sie ganz individuell eingehen kann. Keiner drängt, keiner redet rein. „Wenn Frau Henschel länger schlafen möchte, ist das okay. Dann erfolgt die Körperpflege eben später. Möchte sie lieber fernsehen statt spazieren gehen – auch kein Problem. Mir ist wichtig, dass sie ihren Lebensabend ganz nah bei der Familie und in Würde verbringen kann. Und das möglichst ohne große Schmerzen.“

Die Seniorin selbst genießt es, wieder daheim zu sein. Freut sich, wenn die Urenkel um sie herumwuseln. Zwar kann die 92-Jährige aufgrund einer Trachealkanüle im Hals nicht sprechen, dafür aber schreiben. „Auch Oma Elisabeth hat schon einen Wunschzettel für den Weihnachtsmann geschrieben“, verrät der vierjährige Emil und zeigt ein Blatt Papier. Darauf steht: Möwen füttern an der Ostsee! So wie vor etwa 70 Jahren mit ihrem geliebten Mann Helfried. Für Tochter Eva Maria ist dieser Wunsch ein Zeichen: Mutti ist glücklich!